-
Notifications
You must be signed in to change notification settings - Fork 0
jozefkopcak/mypdf
Folders and files
| Name | Name | Last commit message | Last commit date | |
|---|---|---|---|---|
Repository files navigation
Kurze Zusammenfassung Der Roman „Agnes“ von Peter Stamm handelt von einer tragisch endenden Liebesbeziehung. Im April lernt der Icherzähler Agnes in der Chicagoer Public Library kennen, wo er für die Sachbücher recherchiert, die er beruflich schreibt. Zwischen der jungen Physikerin und dem schweizerischen Schriftsteller entwickelt sich bald eine Beziehung. Agnes spricht mit dem Erzähler häufig über ihre Ängste, ihre schwierige Beziehung zu ihren Eltern, und gemeinsam philosophieren sie über die Endgültigkeit des Todes. Das Paar unternimmt öfter Spaziergänge oder macht Ausflüge in der Natur. Eines Tages kommt Agnes auf die Idee, der Erzähler solle eine Geschichte über sie schreiben. Er lässt sich darauf ein. Heftig verliebt, schreibt er die Geschichte über sie und seine Erlebnisse mit ihr. Doch er erreicht einen Punkt, an dem seine Geschichte die Realität überholt. Von nun an kreiert er die fiktive Figur „Agnes“ neben der echten Frau. Für eine Weile passen der Icherzähler und Agnes ihre Wirklichkeit der fiktiven Geschichte an. Doch dann prallen Fiktion und Realität aufeinander: Agnes wird unerwartet schwanger. Als der Erzähler damit nicht zurechtkommt, trennen sich die beiden. Der Icherzähler flüchtet sich in eine Affäre mit Louise, die er an Halloween kennengelernt hat. Als Agnes eine Fehlgeburt hat, will der Erzähler aber wieder für sie da sein. Die beiden kommen erneut zusammen. Agnes zieht wieder beim Erzähler ein. Doch sie leidet extrem unter der Fehlgeburt. Sie bittet ihn, das Kind, das sie nicht haben konnte, stattdessen in der Geschichte zu erschaffen. Erst nach einer Weile realisiert sie, dass auch diese Fantasie sie nicht glücklich macht. In den Tagen nach Weihnachten erkältet Agnes sich stark. Der Erzähler schreibt zwei unterschiedliche Enden für die Geschichte: ein klassisches Happy End und ein alternatives, in welchem Agnes, mit ihrem Wintermantel bekleidet, in einen verschneiten Wald geht und den freiwilligen Kältetod wählt. Er liest ihr die erste Version vor, in der die Geschichte glücklich endet. Doch beide sind damit nicht zufrieden. Als der Erzähler nach einer Silvesterparty, die er mit Louise verbracht hat, nach Hause kommt, ist das Dokument mit dem alternativen Ende auf dem Computer geöffnet. Agnes ist nicht mehr da, auch fehlt ihr Wintermantel. Sie wird nie wieder zurückkommen. Inhaltsangabe Der Roman „Agnes“ von Peter Stamm handelt von der neun Monate dauernden Beziehung zwischen einer jungen Physikstudentin namens Agnes und einem schweizerischen Sachbuchautoren, der auch der Icherzähler der Geschichte ist. In der öffentlichen Bibliothek von Chicago sieht der Erzähler Agnes und fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Die beiden lernen sich beim Rauchen kennen. Sie sind beide Einzelgänger, fühlen sich aber in der Gesellschaft des jeweils anderen wohl. Die Begegnungen häufen sich, und schließlich lädt der Erzähler Agnes zum Essen ein. Vor dem Restaurant findet er eine tote Frau. Während des Essens sprechen Agnes und der Erzähler deswegen über Sterblichkeit und Tod, ein Thema, über das die 25-jährige Titelfigur häufig nachdenkt. Nach dem Date schlafen die beiden miteinander, was für Agnes das erste Mal ist. Ihre Gespräche werden persönlicher, und Agnes erzählt auch von ihrer Kindheit und dem schwierigen Verhältnis zu ihrem Vater. Der Erzähler fährt nach New York, um für sein Sachbuch über Luxuseisenbahnen zu recherchieren. Als er wiederkommt, besucht er Agnes. Sie zeigt ihm eine selbstgeschriebene Geschichte. Zuerst reagiert der Erzähler verbittert, denn er selbst hat früher Kurzgeschichten geschrieben, allerdings waren diese nie so gut. Doch die beiden versöhnen sich wieder, und sie beschließen, dass diesmal der Erzähler eine Geschichte schreiben soll: eine Geschichte über Agnes. Sie bittet ihn, sie in seiner Geschichte neu zu erschaffen. Eine Weile beeinflusst der Erzähler durch seine Geschichte, die streckenweise parallel zur Realität verläuft, die wirklichen Ereignisse. Agnes lässt sich darauf ein und zieht z. B. zum Erzähler in dessen Wolkenkratzer-Appartement, weil er es in der Geschichte so entwirft. Der Erzähler ist sehr in Agnes verliebt. Eine Zeit lang sind die beiden sehr glücklich zusammen. Doch bei einem Ausflug in die Wildnis kündigen sich Probleme an: Agnes bekommt einen Schwächeanfall. Wie eine böse Vorahnung hat der Erzähler Tagträume, in denen Agnes verängstigt ist und wütend auf den Erzähler einredet. Zu Halloween stellt sich heraus, dass Agnes schwanger ist. Aber der Erzähler will auf keinen Fall ein Kind. Für Agnes kommt aber eine Abtreibung nicht infrage. Sie verlässt den Erzähler. Dieser beginnt nun eine Affäre mit einer Frau französisch-amerikanischer Herkunft, die er an Halloween kennengelernt hat. Sie heißt Louise und zeigt ihm unverblümt, dass sie sich mit ihm nur amüsieren will. Dem Erzähler tut die Affäre gut, allerdings hält er sich häufig in Agnes’ Wohngegend auf. Eines Tages befasst er sich dann doch mit dem Gedanken an die Vaterschaft und beginnt, das Kind in seine Geschichte über Agnes zu integrieren. Er gibt ihm auch einen Namen: Margaret. Kurz darauf bekommt er einen Anruf von einer Frau, mit der Agnes zusammen im Streichquartett spielt: Agnes sei krank, er solle sich dringend um sie kümmern. Der Erzähler überwindet seine Zweifel und besucht Agnes. Sie hatte eine Fehlgeburt. Er kümmert sich um sie, und die beiden kommen wieder zusammen. Agnes zieht auch wieder beim Erzähler ein. Doch sie scheint den Verlust des ungeborenen Kindes nicht zu verkraften. Zu Weihnachten versichert Agnes dem Erzähler, dass sie ihn sehr liebe. Am nächsten Tag erkältet sie sich, was sich während der kommenden Woche immer mehr verschlimmert. Der Erzähler pflegt seine Freundin und schreibt die Geschichte weiter. Für das Ende der Geschichte kreiert er zwei Versionen: ein Happy End und eines, in dem Agnes den Kältetod stirbt, nachdem sie sich, mit ihrem Wintermantel bekleidet, in den Schnee an einem zugefrorenen See gelegt hat. Agnes liest er das positive Ende vor, doch zufrieden ist sie damit nicht. An Silvester geht der Erzähler auf Louises Party. Agnes bleibt krank zu Hause. Louise eröffnet dem Erzähler an diesem Abend, dass sie an mehr als nur sexuellem Vergnügen interessiert sei, doch der Erzähler gibt ihr einen Korb: Er will es von nun an ernsthaft mit Agnes versuchen. Als er jedoch nach Hause kommt, sind Agnes und ihr Wintermantel nicht mehr da. Auf dem Computer findet der Erzähler ein Dokument geöffnet vor: das tragische Ende für Agnes’ Geschichte. Agnes kommt nicht wieder zurück. Kapitelzusammenfassung Agnes ist ein Roman mit vielen kurzen Kapiteln. Die Handlung schwankt zwischen der Grundgeschichte und einer „Geschichte in der Geschichte“, Fiktion und Wirklichkeit vermischen sich – da kann man leicht den Überblick verlieren. Diese tabellarische Übersicht hilft Dir dabei, Dich in diesem Roman schnell und problemlos zu orientieren. Zur Erleichterung der Arbeit ist jedes der 36 Kapitel in der großen Tabelle angegeben und mit Seitenzahlen, darin auftretenden Personen, Zeitangaben und Handlungsort versehen. Und das Wichtigste: Die Ereignisse und Gedanken jedes Kapitels sind kurz und knapp für Dich zusammengefasst – natürlich in leicht verständlicher Sprache. Kapitel 1 Seite: 9-12 Schauplatz: Chicago, in der Wohnung des Erzählers Zeit: Winter Personen: Erzähler, Agnes, Parkaufseher, Verkäufer Inhalt: Der Erzähler ist allein in seiner Wohnung. Er erzählt, Agnes sei tot, getötet durch eine Geschichte. Er hat sie neun Monate gekannt und mit ihr zusammengewohnt. Der Erzähler sieht sich ein Videoband mit Aufnahmen von einem Ausflug in den Hoosier National Forest an, den er am Columbus Day mit Agnes gemacht hat. Er erinnert sich: Agnes hatte viele Ängste, und ihre Ängste verstärkten sich immer mehr. Je schlimmer sie wurden, desto mehr klammerte sie sich an ihn in der Zeit vor ihrem Tod. Kapitel 2 Seite: 13-16 Schauplatz: Public Library (Bibliothek) Zeit: Neun Monate vorher, April Personen: Erzähler, Agnes Inhalt: Rückblende: Der Erzähler recherchiert in der Bibliothek für ein Buch über Luxuseisenbahnen, an dem er schreibt. Dabei sieht er Agnes zum ersten Mal. Er ist sofort interessiert an ihr und schaut oft zu ihr hin. Er kann sich nicht gut konzentrieren. Als er eine Pause macht und rauchen geht, setzt sie sich neben ihn. Er gibt ihr Feuer, und es entsteht etwas Smalltalk. Am Ende fragt er sie, ob sie morgen wiederkäme, was sie bejaht. Kapitel 3 Seite: 17-21 Schauplatz: Public Library, Coffee Shop Zeit: Die nächsten beiden Tage Personen: Erzähler, Agnes, Herbert, eine fremde Frau Inhalt: Agnes und der Erzähler begegnen sich am nächsten Tag erneut in der Bibliothek. Sie verbringen wieder die Raucherpause gemeinsam. Es scheint, als seien sie einander vertrauter geworden. Agnes erzählt eine Geschichte, in der einer ihrer Bekannten, Herbert, in einer Bar plötzlich von einer fremden Frau geküsst worden sei. Am Tag darauf gehen Agnes und der Erzähler in einen Coffee Shop. Sie unterhalten sich, und Agnes erzählt ein wenig über sich. Sie zeigt aber nicht viel Interesse an dem, was der Erzähler über sich selbst verrät. Kapitel 4 Seite: 22-25 Schauplatz: Vor/in einem chinesischen Restaurant, im Doral Plaza (Wohn-gebäude des Erzählers) Zeit: Nach ein paar Wochen Personen: Erzähler, Agnes, eine Frau, ein paar Fuß-gänger, Frau vom Notfall-dienst, Sanitäter, Verkäufer Inhalt: Ein paar Wochen lang begegnen sich der Erzähler und Agnes immer wieder in der Bibliothek und lernen sich kennen. Schließlich lädt er sie zum Essen ein. An dem Abend der Verabredung findet der Erzähler vor dem Restaurant eine junge Frau tot vor. Er holt einen Krankenwagen, der gleichzeitig mit Agnes vor dem Restaurant ankommt. Beim Essen erzählt Agnes von ihrer Todesangst. Sie habe Angst vor der Leere, die der Tod mit sich bringe. Der Erzähler versucht, sie aufzubauen, doch sie bleibt bei ihrer Einstellung. Auf dem Weg zu seiner Wohnung begegnen sie einem Verkäufer, der in einem kleinen Geschäft unten im Wohngebäude des Erzählers arbeitet. Im Fahrstuhl küssen sich Agnes und der Erzähler. Kapitel 5 Seite: 26- 28 Schauplatz: In der Wohnung des Erzählers Zeit: Am Abend und am nächsten Morgen nach dem Date Personen: Erzähler, Agnes, Religions-lehrerin, Agnes‘ Eltern Inhalt: Der Erzähler und Agnes schlafen miteinander. Es ist für Agnes das erste Mal. Am nächsten Morgen unterhalten die beiden sich darüber, dass sie nicht an ein Leben nach dem Tod glauben. Agnes konnte schon als Kind zu keinem Glauben finden, und ihre Sonntagsschullehrerin war ihr auch keine Inspiration. Der Erzähler meint, man hinterlasse im Leben aber Spuren, und durch diese lebe man in irgendeiner Form für immer. Er sagt, er selbst wolle allerdings keine Spuren hinterlassen. Agnes widerspricht ihm – schließlich schreibe er Bücher. Kapitel 6 Seite: 29-33 Schauplatz: Beim Erzähler Zeit: Am gleichen Tag, mittags Personen: Erzähler, Agnes, Agnes‘ Eltern, Ver-käufer, Agnes‘ Nachbars-tochter Jennifer Inhalt: Agnes findet heraus, dass der Erzähler früher einmal fiktive Werke geschrieben hat, was sie sehr interessiert. Sie kommen auf das Thema Stonehenge, und Agnes äußert, es sei vielleicht ein Zeichen, das von Leuten gesetzt wurde, die zeigen wollten, dass hier einmal Menschen gelebt hätten. Agnes spricht auch von ihrer Kindheit. Sie sei Pfadfinderin gewesen, was sie verabscheut habe. Ihre Nachbarstochter Jenny, auch Pfadfinderin, sei bei einem Pfadfinderausflug verstorben. Agnes erzählt, sie habe Jenny gehasst, doch ihr Vater habe Jenny gemocht und sehr um das Mädchen getrauert. Agnes glaubt, er hätte nicht so sehr getrauert, wenn sie selbst gestorben wäre. Kapitel 7 Seite: 34- 37 Schauplatz: Im Nachtzug nach New York Zeit: Die nächsten Tage Personen: Erzähler, Sitznach-barin, ein junger Mann, Paco Inhalt: Der Erzähler fährt mit dem Zug nach New York, wo er sich Bücher für seine Recherchen besorgen möchte. Nun, da Agnes in sein Leben getreten ist, ist er wieder produktiver geworden. Im Zug begegnet er einem Masseur, der ihm etwas zu aufdringlich wird. Der Erzähler unterhält sich mit seiner Sitznachbarin. Sie ist auf dem Weg zu ihrem Liebsten, einem Mann namens Paco. Sie kenne ihn nur von einem Foto und durch die Briefe, die er ihr geschrieben habe, sagt sie. Doch sie sei sehr verliebt und voll romantischer Vorfreude. Der Erzähler warnt sie davor, sich mit einem Fremden zu treffen, meint dann aber, es werde ihr schon nichts passieren. Kapitel 8 Seite: 38-46 Schauplatz: Bei Agnes, in Agnes‘ Wohnviertel Zeit: Nach den fünf Tagen, am Sonntag Personen: Erzähler, Agnes, Herbert, Agnes‘ Eltern Inhalt: Der Erzähler besucht Agnes. Sie erzählt ihm von ihrer Diplomfeier, auf der sie den Schauspieler Herbert kennengelernt habe, und von Problemen mit ihrem Vater. Anschließend gibt Agnes ihm eine selbst geschriebene Geschichte zu lesen, die er gleich überfliegt. Sie handelt davon, dass sie sich verfolgt fühlt von einem Mann, der immer bei ihr, sogar in ihr ist, sie aber dabei nicht berührt. Der Erzähler ist neidisch auf Agnes‘ Geschichte. Er kritisiert an ihr und ihrer Geschichte herum, woraufhin Agnes die Geschichte löscht. Die beiden gehen spazieren. Später erzählt sie leidenschaftlich von ihrer Arbeit als Physikerin. Am nächsten Morgen hört der Erzähler Klopfgeräusche in den Heizungsrohren. Agnes mag diese Geräusche gern, denn durch sie fühlt sie sich weniger allein. Kapitel 9 Seite: 47-52 Schauplatz: Am Ufer des Lake Michigan Zeit: Der 3. Juli Personen: Erzähler, Agnes Inhalt: Einige Tage später gehen Agnes und der Erzähler wieder spazieren. Er bezeichnet sich als ihr Freund. Die beiden vertragen sich wieder nach dem Konflikt, entstanden durch Agnes‘ Geschichte. Agnes möchte, dass er eine Geschichte über sie schreibt. Später kommt Agnes auf die Idee, die Treppen bis in den 27. Stock zu seiner Wohnung hochzusteigen, um die Stockwerke nachzuzählen. Oben angekommen, will sie, dass er gleich mit der Geschichte beginnt. Er will lieber das Feuerwerk sehen. Also schreibt er, dass sie mit ihm auf das Dach geht, um das Feuerwerk des 4. Juli anzusehen. Anschließend tun sie dies wirklich. Kapitel 10 Seite: 53-55 Schauplatz: Beim Erzähler Zeit: In der Nacht zum 4. Juli Personen: Erzähler, Agnes, Agnes‘ Vater Inhalt: Zurück in der Wohnung, beginnt der Erzähler, die Geschichte über Agnes zu schreiben. Mit den ersten Entwürfen ist sie unzufrieden. Er beschreibt eine Situation, in der die fiktive „Agnes“ errötet. Doch die echte Agnes wird sauer, denn sie wurde tatsächlich als Kind deswegen gehänselt. Ihr Vater konnte das nicht ertragen. Sie bittet ihn, sie auf literarische Weise neu zu erschaffen. In einer neue Version will er sie als unnahbar beschreiben. Doch auch das will sie nicht. Kapitel 11 Seite: 56-60 Schauplatz: Auf einem Ausflug im Park Zeit: Die folgenden Wochen im August/Septem-ber Personen: Agnes, Erzähler Inhalt: Der Erzähler schreibt weiter an der Geschichte über Agnes. Er schreibt über Dinge, die er wirklich mit Agnes erlebt hat. Oft sind sich die beiden jedoch uneinig darüber, was in Wirklichkeit passiert ist. Eines Tages holt Agnes den Erzähler für einen Ausflug in den Park ab. Als Agnes im Park mit geschlossenen Augen daliegt, betrachtet der Erzähler sie. Sie kommt ihm ganz fremd vor und ein wenig unheimlich, gleichzeitig fühlt er sich ihr aber sehr nahe. Am Abend gesteht er ihr seine Liebe, doch er ist unzufrieden, weil er nicht in der Lage ist, mit Worten all seine Gefühle für sie auszudrücken. Kapitel 12 Seite: 61-63 Schauplatz: Beim Erzähler, beim Essen-gehen Zeit: In der Zeit nach dem Park-ausflug Personen: Agnes, Erzähler, Verleger Inhalt: Der Erzähler ist heftig in Agnes verliebt und empfindet es wie eine Sucht nach ihr. Er bemerkt aber auch, dass er vieles über sie noch nicht weiß. Er beobachtet genau, was sie tut. Seine Geschichte über Agnes hat nun die Gegenwart überholt. Von jetzt an kann der Erzähler seine Figur Agnes selbst kreieren. Währenddessen vernachlässigt er aber seine professionelle Arbeit am Buch über Luxuseisenbahnen. Kapitel 13 Seite: 64-66 Schauplatz: Beim Erzähler Zeit: Am nächsten Tag Personen: Agnes, Erzähler Inhalt: In seiner Geschichte über sie fragt der Erzähler Agnes, ob sie bei ihm einziehen wolle. Der Erzähler liest Agnes die Story vor und fragt sie dadurch indirekt, ob sie wirklich mit ihm zusammenziehen wolle. Realität und Fiktion beginnen, sich zu vermischen. Agnes fängt an, in Wirklichkeit Kleider zu tragen, die der Erzähler sie in der Geschichte tragen lässt. Auch die Abendgestaltung des Paares ähnelt der, die in der Geschichte beschrieben wird. Sie willigt ein, zu ihm zu ziehen, und tut dies Ende September. Kapitel 14 Seite: 67-69 Schauplatz: Beim Erzähler und Agnes in Chicago, im Kunstinstitut Zeit: Oktober Personen: Agnes, Erzähler, Verleger Inhalt: Die beiden haben ein ruhiges Leben zusammen. Ab und zu machen sie das Rollenspiel, in welchem Agnes das anzieht und tut, was der Erzähler in seiner Geschichte schreibt. Doch ihr gemeinsames Glück reicht dem Erzähler nicht aus als Inspiration für seine Geschichte. Um sich von Bildern mit glücklichen Menschen inspirieren zu lassen, gehen die beiden ins Kunstinstitut. Sie finden eines, das zum Stil des Pointilismus gehört – geht man näher heran, besteht das Bild aus einzelnen Punkten. Agnes schließt daraus, dass man Glück mit Punkten gestalte und erst, wenn man das große Ganze aus der Ferne betrachte, das Glück erkennbar werde. Kapitel 15 Seite: 70-74 Schauplatz: Ausflug zum National-park in der Nähe von Chicago Zeit: 2. Montag im Oktober, Columbus Day Personen: Agnes, Erzähler, Park-aufseher Inhalt: Die beiden machen einen Ausflug, der in einem wilden Park endet, wo sie campen. Auf diesem Ausflug entstehen die Videoaufnahmen, die sich der Erzähler später ansieht (Kapitel 1). Sie zelten am Strand eines Sees. Abends bekommt Agnes einen Schwächeanfall. Sie wacht aber wieder auf und meint, sie habe nur zu wenig gegessen. Kapitel 16 Seite: 75-78 Schauplatz: Im National-park/Wildnis Zeit: Die nächsten beiden Tage Personen: Agnes, Erzähler Inhalt: Agnes geht es am nächsten Morgen besser. Sie bleiben zwei Tage in der Wildnis, waschen sich im See und laufen nackt herum. Schließlich machen sie eine Wanderung und finden alte Bahngleise, die sie zu Ruinen alter Häuser führen. Sie sehen sich die Überreste der Siedlung an, zu der auch ein Friedhof und eine alte Kirche gehören. Sie fragen sich, ob hier heimlich immer noch Menschen leben. Sie sprechen darüber, dass die Leute, die einst hier lebten, nun tot seien, und deswegen gar nichts davon wüssten, dass ihr früherer Lebensraum nun verwildere. Nach zwei Tagen fahren sie zurück nach Chicago. Kapitel 17 Seite: 79-82 Schauplatz: Chicago, beim Erzähler und Agnes Zeit: Oktober Personen: Agnes, Erzähler Inhalt: Der Oktober ist schön und warm. Der Erzähler macht einen Spaziergang, und anschließend arbeitet er an seiner Geschichte über Agnes weiter. Er schreibt, dass er mit „Agnes“ in den Zoo gehe und ihr einen Heiratsantrag mache, den sie annehme. Dann weiß er nicht, wie die Handlung weitergehen soll, und überlässt sich einem Tagtraum. In diesem Traum steht Agnes in einem Treppenhaus, sehr wütend und ängstlich. Sie sagt ihm, dass sie ihn nicht heiraten wolle. Er ist eifersüchtig, glaubt, sie liebe eigentlich Herbert. Dann sagt sie, dass er tot sei. Schließlich kommt der Erzähler in die Realität zurück. Er baut seinen Tagtraum in die Geschichte über Agnes ein. Kapitel 18 Seite: 83-86 Schauplatz: Auf einer Halloween-party der Firma Amtrak Zeit: Der 31. Oktober, Hallo-ween Personen: Agnes, Erzähler, Louise Inhalt: Zu Halloween will Agnes als Fee verkleidet bei einem Umzug der Universität mitmachen und dort anschließend feiern. Der Erzähler hat keine Lust darauf, mitzukommen, und sagt ihr, dass er zur Feier einer Bahngesellschaft gehen wolle. Agnes ist sauer, denn sie hatte ihn schon lange vorher eingeladen. Auf der Firmenfeier lernt der Erzähler Louise kennen, die mit französischem Akzent spricht. Sie flirtet mit ihm und redet schlecht über amerikanische Frauen. Schließlich gibt sie dem Erzähler ihre Telefonnummer und bietet ihm an, bei ihr auf der Arbeit vorbeizuschauen. Im Archiv der Pullman Leasing, wo sie arbeite, gäbe es Materialien für sein Buch. Kapitel 19 Seite: 87-91 Schauplatz: Beim Erzähler und Agnes Zeit: Der 1. November Personen: Agnes, Erzähler Inhalt: Am nächsten Morgen kommt Agnes betrunken nach Hause. Er erzählt ihr, er sei später noch zu ihrer Halloweenparty gegangen, habe sie aber dort nicht gefunden. Sie meint, sie habe ihn gesehen, ihn aber nicht erreichen können, bevor er wieder gegangen sei. Dann habe sie sich mit ihren Kommilitonen zusammen betrunken. Sie sagt ihm, dass sie schwanger sei. Der Erzähler ist nicht erfreut darüber. Das enttäuscht Agnes. Sie meint, dass sie nichts dagegen tun könne. Er deutet an, sie könnte abtreiben. Außerdem sagt er, dass Agnes in seiner Geschichte nicht schwanger werden würde, und wirft ihr vor, dass sie ihn nicht wirklich liebe. Agnes wird sehr traurig und wütend. Er geht nach draußen. Kapitel 20 Seite: 92-95 Schauplatz: In einem Café, in ein paar Bars Zeit: Nachts und der nächste Tag Personen: Agnes, Erzähler, Nacht-portier, Herbert, Kellnerin Inhalt: Als der Erzähler zurück in die Wohnung kommt, ist Agnes gegangen und hat bereits einige Sachen mitgenommen. Der Erzähler geht einen Kaffee trinken und denkt über eine vergangene Beziehung nach. Er hat vor vielen Jahren geglaubt, seine damalige Freundin wäre schwanger. Als sie es dann doch nicht war, ging die Beziehung auseinander, denn er war enttäuscht. Er geht in ein paar Bars. Am nächsten Tag ruft Agnes an. Sie sagt, er brauche sich nicht um das Kind kümmern. Sie wolle nach New York gehen, zu Herbert. Später holt sie die restlichen Sachen. Der Erzähler ist währenddessen nicht zu Hause, wie sie es gewünscht hat. Kapitel 21 Seite: 96-99 Schauplatz: Agnes‘ Wohn-gegend, Bibliothek, Bars, beim Erzähler Zeit: Die darauf-folgenden Wochen Personen: Agnes, Erzähler, Louise, Kellner Inhalt: Der Erzähler hält sich häufig in Agnes‘ Viertel auf und sieht sie auch hin und wieder nach Hause gehen. Er lässt seine Arbeit schleifen und betrinkt sich jeden Abend. Tagsüber geht er in die Bibliothek und liest Krimis. Hier begegnet er Louise wieder. Sie lädt ihm zum Thanksgiving-Fest bei ihren Eltern ein, und er sagt zu. Zu Hause bekommt der Erzähler ein schlechtes Gewissen. Er löscht den Teil der Geschichte über Agnes, in welchem er sie verängstigt im Treppenhaus sieht. Stattdessen schreibt er, dass sie ihm von der Schwangerschaft erzählt und die beiden sich einigen, es mit dem Kind zu versuchen. Kapitel 22 Seite: 100- 103 Schauplatz: Bei Louises Eltern in Oak Park Zeit: Thanks-giving Personen: Erzähler, Louise, Louises Eltern Inhalt: Beim Thanksgiving behandeln Louises Eltern den Erzähler sofort wie ihren zukünftigen Schwiegersohn. Er geht mit Louise im Garten spazieren und will über seine Eindrücke in der Natur reden, doch Louise verhält sich sehr überheblich. Sie erzählt von ihrem Familienstammbaum. Später fährt er mit ihr durch die Gegend, kauft ein Buch von Hemingway und schenkt es Louise, weil ihr die Verfilmung gefallen hat. Kapitel 23 Seite: 104-106 Schauplatz: Bei Louises Arbeit in der Pullman Leasing Zeit: Einige Tage nach Thanks-giving Personen: Erzähler, Louise Inhalt: Statt für die Eisenbahnwaggons beginnt der Erzähler, sich mehr für Pullmans Geschichte zu interessieren. Der Unternehmer geriet in Konflikte mit seinen Arbeitern, und die Streiks wurden zu einem wichtigen Abschnitt in der Geschichte der amerikanischen Arbeiterbewegung. Der Erzähler besucht Louise im Büro, weil er sie wiedersehen will. Sie führt ihn auf dem alten Waggonfabrikgelände herum. Dann zeigt sie ihm das Archiv, wo er jedoch nicht viel Brauchbares finden kann. Er küsst sie. Sie sagt ihm, es sei in Ordnung, dass sie beide sich nicht liebten. Sie wolle sich auch nur amüsieren. Kapitel 24 Seite: 107-110 Schauplatz: In der Bibliothek, im Café, beim Erzähler Zeit: In der nächsten Zeit Personen: Erzähler, Agnes, Louise, eine Kollegin aus Agnes‘ Streichquartett Inhalt: Dem Erzähler geht es gut. Wenn er mit Louise zusammen ist, denkt er nicht an Agnes. Er geht eines Tages in ein Café und schreibt Agnes‘ Geschichte weiter. Er gibt dem Kind, das Agnes darin bekommt, den Namen Margaret. Er befasst sich mit dem Thema Vaterschaft und beschließt, sein Leben zu ändern. Zu Hause erreicht ihn ein Anruf einer Kollegin von Agnes: Agnes sei krank. Er solle sie besuchen. Der Erzähler hadert mit sich. Sie nun zu besuchen, kommt ihm wie die endgültige Aufgabe seiner Freiheit vor. Nach drei Tagen macht er sich doch auf den Weg zu ihr. Kapitel 25 Seite: 111-113 Schauplatz: Bei Agnes Zeit: Am dritten Tag seit dem Anruf Personen: Erzähler, Agnes Inhalt: Der Erzähler besucht Agnes. Sie hatte eine Fehlgeburt und leidet sehr darunter. Er übernachtet bei ihr. Er findet ihre Briefschublade und sieht, dass Herbert ihr vor Kurzem geschrieben hat. Am nächsten Tag sagt er ihr, dass er das mit dem Kind alles nicht so gemeint habe. Sie sagt, was sie so enttäuscht hätte, wäre, dass er einfach gegangen sei. Er meint, sie könnte später noch einmal versuchen, schwanger zu werden. Die beiden einigen sich darauf, dass sie es vielleicht irgendwann in der Zukunft noch einmal versuchen könnten, zusammen ein Kind zu bekommen. Kapitel 26 Seite: 114-116 Schauplatz: Beim Erzähler Zeit: Novem-ber Personen: Agnes, Agnes‘ Professor, Erzähler, Louise Inhalt: Agnes zieht wieder beim Erzähler ein. Sie hat von der Uni bis Weihnachten freibekommen. Der Erzähler ist etwas eifersüchtig auf einen von Agnes‘ Professoren und gekränkt darüber, dass sie überhaupt nicht eifersüchtig ist, als er ihr von Louise erzählt. Er beschreibt ihr den weiteren Verlauf seiner Geschichte und erwähnt die neue Figur, das Kind „Margaret“. Agnes forscht nach dem Sternzeichen des Fantasie-Kindes und wird inspiriert. Sie meint, er solle das Kind in der Geschichte erschaffen, weil sie in der Realität nicht dazu imstande gewesen sei. Die beiden schreiben gemeinsam an einer glücklichen Familiengeschichte und gehen anschließend spazieren. Kapitel 27 Seite: 117-120 Schauplatz: Einkaufs-läden Zeit: Am gleichen Tag, nach-mittags Personen: Agnes, Erzähler, Fenster-putzer Inhalt: Agnes will einkaufen gehen. Sie kauft etwas für das fiktive Kind Margaret und will dann auch etwas für ihr Kind kaufen, das nicht überlebt hat. Doch im Kleidungsgeschäft fängt sie an zu weinen und läuft nach Hause. Dort erschrickt sich Agnes vor ein paar Fensterputzern, die in das Schlafzimmer blicken. Sie bekommt einen Weinanfall und meint, alles sei eine Lüge, und alle wüssten, dass sie nicht schwanger sei und trotzdem Kindersachen kaufe. Das müsse aufhören, der Erzähler müsse wieder über die Realität schreiben. Sie wirft alles weg, was sie gekauft hat, und beschließt, nun wieder in der Wirklichkeit zu leben. Der Erzähler küsst Agnes, und sie sagt, sie seien nun wieder zusammen. Kapitel 28 Seite: 121-124 Schauplatz: Bei Agnes und dem Erzähler Zeit: Advents-zeit Personen: Agnes, Erzähler Inhalt: Agnes ist sehr in sich gekehrt und beschäftigt sich durch viele Aktivitäten. Der Erzähler empfindet, dass sie ihm nicht mehr so nahe ist wie früher. Die Adventszeit gestalten die beiden gemeinsam. Sie putzen die Wohnung, hören Musik und so weiter. Agnes scheint sich über die Fehlgeburt beruhigt zu haben. Sie sprechen über die Zukunft und darüber, wo der Erzähler sich in Zukunft aufhalten wird – in den USA ist er nur zu Besuch. Er sagt, er könnte eventuell in Chicago bleiben, oder sie könnte mit ihm in die Schweiz ziehen. Kapitel 29 Seite: 125-129 Schauplatz: Bei Agnes und dem Erzähler Zeit: Weih-nachten Personen: Agnes, Erzähler, Louise, Louises Eltern Inhalt: Agnes und der Erzähler feiern gemeinsam Weihnachten. Er schenkt ihr die noch unfertige Story, sie ihm einen selbst gestrickten Pullover. Er bekommt ein Paket von Louise und eine Einladung zur Silvesterfeier ihrer Eltern. Agnes und der Erzähler gehen aufs Dach und philosophieren, als ein Krankenwagen vorfährt. Später baden sie gemeinsam und schlafen miteinander. Es entsteht der Eindruck von Intimität, doch dann meint Agnes, dass das ein Geschenk gewesen sei, was den Erzähler verstört. Die beiden sprechen kurz über Louise und Herbert. Sie sagt ihm, dass Herbert sie liebe. Deswegen wäre sie mit dem Kind zu ihm gegangen. Doch sie liebe nur den Erzähler. Kapitel 30 Seite: 130-133 Schauplatz: Bei Agnes und dem Erzähler und im Café Zeit: Am nächsten Tag Personen: Agnes, Erzähler, Kellnerin Inhalt: Agnes ist stark erkältet und bleibt im Bett. Der Erzähler kümmert sich um sie. Er geht zwischendurch kurz nach draußen, um Brot zu kaufen. Inzwischen findet Agnes ein Gedicht, das sie zum Weinen bringt, weil es sich mit dem Thema Tod beschäftigt. Später schläft Agnes, und der Erzähler geht einen Kaffee trinken. Er denkt zum ersten Mal wirklich über das verlorene Kind nach. Er geht nach Hause und schreibt, fließend und unbewusst, seine Geschichte weiter. In der Handlung nimmt „Agnes“ an Silvester einen Zug nach Willow Springs. Sie steigt aus und läuft in der Kälte herum. Der Erzähler wird sich bewusst, dass er ein Ende für die Agnes in seiner Geschichte kreieren muss. Kapitel 31 Seite: 134-137 Schauplatz: Bei Agnes und dem Erzähler Zeit: Am nächsten Tag Personen: Agnes, Erzähler, Agnes‘ Eltern Inhalt: Agnes bekommt einen Anruf von ihrer Mutter und bezeichnet den Erzähler dabei als einen Freund, was er hört. Er spricht sie darauf an, und sie erzählt, dass sie nur sporadischen Kontakt zu den Eltern halte. Der Erzähler schreibt den Schluss der Geschichte noch einmal um und speichert den letzten Entwurf, in welchem Agnes den Zug nimmt, als Schluss 2. Er schreibt nun ein Happy End für sich und Agnes, liest es ihr aber nicht vor. Kapitel 32 Seite: 138-141 Schauplatz: Bei Agnes und dem Erzähler, in der Bibliothek Zeit: Am nächsten Tag Personen: Agnes, Erzähler Inhalt: Der Erzähler liest Agnes am nächsten Tag doch das positive Ende der Geschichte vor, doch sie ist nicht zufrieden damit, und das ist der Erzähler auch nicht. Agnes‘ Erkältung verschlimmert sich. Er beschließt, Schluss 2 doch als Ende zu benutzen. Durch die Häuslichkeit und die Krankenpflege wird er etwas gereizt. Sie meint, er solle ruhig rausgehen. Also geht er spazieren und in die Bibliothek. Später versucht er, Silvester mit ihr zu planen, doch sie meint, dass sie dann wohl noch krank sein werde. Von ihr aus könne er ruhig zu Louises Party gehen. Kapitel 33 Seite: 142-145 Schauplatz: Beim Erzähler und Agnes, bei Louise und ihren Eltern Zeit: Silvester Personen: Agnes, Erzähler, Louise, Louises Eltern Inhalt: Der Erzähler geht zu Louises Silvesterparty. Agnes bleibt krank zu Hause. Bereits vor Mitternacht ruft der Erzähler Agnes an, um ihr schon einmal ein gutes neues Jahr zu wünschen. Sie sagt ihm, dass sie ihn vermisse, und er meint, er sei am nächsten Tag wieder bei ihr. Louise redet höhnisch über Agnes und über Amerikanerinnen im Allgemeinen. Die beiden unterhalten sich den ganzen Abend lang. Später in der Nacht geht Louise mit dem Erzähler in ihre Wohnung. Kapitel 34 Seite: 146-149 Schauplatz: Auf dem Weg zum Erzähler nach Hause, im Treppen-haus seines Wohn-hauses Zeit: Silvester-nacht Personen: Erzähler, ein Japaner, Louise Inhalt: Louise bringt den Erzähler nach Hause. Sie zeigt sich erbittert über sein Desinteresse an ihr, und darüber, dass der Erzähler ihr klarmacht, dass er wieder mit Agnes zusammen ist. Sie macht zum Abschied noch einige abfällige Bemerkungen über Agnes und über Männer. Später steht der Erzähler im Treppenhaus seines Wohngebäudes und kann seine Wohnung nicht aufschließen. Schließlich öffnet ein Japaner die Tür, und es wird klar, dass der Erzähler sich im Stockwerk geirrt hat. Er geht langsam zu seiner Wohnung hinauf und macht Pausen, weil er jemanden im Treppenhaus hört. Er möchte niemandem begegnen, weil er niemanden im Haus kennt. Kapitel 35 Seite: 150-152 Schauplatz: Beim Erzähler zu Hause Zeit: Silvester-nacht Personen: Erzähler, Agnes Inhalt: Der Erzähler kommt in seine Wohnung herein. Er liest noch einmal den Schluss 2 seiner Geschichte, die auf dem Bildschirm erscheint, als er den Computer anmacht. In dieser Version der Geschichte sitzt Agnes vor dem Computerbildschirm in der Wohnung. Dann geht sie und nimmt den Zug nach Willow Springs. Sie trägt ihren Wintermantel. Sie steigt aus, geht an Wohnsiedlungen vorbei und schließlich in einen dunklen Wald hinein. Sie kommt an einen zugefrorenen See und legt sich auf den Schnee. Dann wird ihr ganz heiß, als müsse der Schnee unter ihr schmelzen. Auch in Wirklichkeit hat Agnes die Wohnung verlassen. Nur ihr Wintermantel fehlt, ansonsten hat sie alles hinterlassen, wie es war. Kapitel 36 Seite: 153 Schauplatz: Zu Hause beim Erzähler Zeit: Neujahr Personen: Erzähler, Agnes Inhalt: Der Erzähler wartet auf Agnes, doch sie kommt nicht mehr zurück. Er sieht sich das Video vom Ausflug in den Nationalpark an. Charakterisierung Agnes, Louise und der Icherzähler – diese drei Figuren stehen im Zentrum der Handlung des Romans „Agnes“. Doch wie kann man sie beschreiben? Im Roman erfahren wir alles aus der Perspektive des Icherzählers, der allerdings selbst manchmal beinahe ahnungslos scheint. In diesen Charakterisierungen werden die wichtigsten Eigenschaften, Äußerlichkeiten und Handlungen der Hauptfiguren leicht verständlich zusammengefasst. Du lernst ihre verschiedenen Seiten besser kennen und kannst Dir dadurch selbst ein Bild von ihnen machen. Ist Louise wirklich so abgebrüht, der Icherzähler so kalt und Agnes so schwach? Und was hat es mit den merkwürdigen Verhaltensweisen der Titelheldin auf sich? Antworten findest Du hier. Charakterisierung Agnes Agnes ist die Titelheldin des Debütromans des schweizerischen Autors Peter Stamm. Sie geht eine Liebesbeziehung mit dem Icherzähler ein. Inhalt • Eine unscheinbare Studentin • Anzeichen psychischer Störungen • Zerbrechlichkeit und Stärke • Die unüberwindbare Trauer Eine unscheinbare Studentin Agnes ist 25 Jahre alt und schreibt an ihrer Doktorarbeit im Fach Physik. Nebenbei arbeitet sie am Mathematischen Institut der Chicago University, ist also eindeutig Wissenschaftlerin. In ihrer Heimatstadt Chicago bewohnt sie ein Studio in einem Außenviertel, (S. 20). Sie behauptet von sich selbst, „kein sehr sozialer Mensch“ (S. 20) zu sein. Zu ihren Eltern hat sie nur selten telefonischen Kontakt, (S. 134 f.). Sie ist aber Mitglied eines Streichquartetts, bei dem sie drei Kolleginnen hat, (S. 83). In ihrer Freizeit interessiert sich Agnes für Musik, Malerei und Lyrik, (S. 20). Äußerlich wird sie als schlanke, nicht besonders große Brünette (S. 14) mit etwas steifem Gang (S. 85) und einer Ponyfrisur (S. 58) beschrieben. Sie ist blass und ungeschminkt, (S. 14). Ihre blauen Augen (S. 54) sind sehr ausdrucksstark, „als könne sie mit den Augen Worte übermitteln“, (S. 14). Anzeichen psychischer Störungen Die Hauptfigur weist verschiedene Anzeichen für seelische Probleme auf. Agnes scheint ein gestörtes Verhältnis zum Essen zu haben. Sie muss sich sehr konzentrieren, die Bissen herunterzubekommen. Sie sagt selbst, sie esse „überhaupt nicht gern“, (S. 23). Als sie einmal einen Schwächeanfall bekommt, meint sie, es könne daran liegen, dass sie nicht ausreichend gegessen habe, (S. 74). Die Titelheldin wird anscheinend auch von einer Angststörung geplagt. Ihre irrationalen Ängste erwähnt der Erzähler gleich zu Beginn: Sie hat Angst vor bestimmten Menschen, Gegenständen und Geräuschen, (S. 12). Ihre Ängste werden so schlimm, dass sie irgendwann auch mit ihrem Freund „nicht mehr darüber sprechen“ kann, (S. 12). Dazu kommt, dass Agnes Anzeichen für Zwangsstörungen zeigt. Als der Erzähler Agnes besucht, fällt ihm auf, dass sie einige Rabattcoupons gesammelt und „sorgfältig ausgeschnitten“ hat, (S. 112). Wenn sie im Restaurant ist, rückt sie immer wieder ihr Besteck zurecht, (S. 61). Und das Videoband, das der Erzähler sich ansieht, nachdem Agnes gegangen ist, hat sie sorgfältig beschriftet und doppelt mit einem Lineal unterstrichen, (S. 10). Diese Verhaltensweisen könnten auf einen Ordnungszwang hindeuten. Auch einen Berührzwang scheint Agnes zu haben, denn sie berührt ständig Gegenstände, aber niemals fremde Menschen, (S. 62). Das letzte psychische Problem, das Agnes zu begleiten scheint, ist eine Neigung zur Suizidalität. Sie hat zwar Angst vor dem Tod (S. 23), aber die Thematik übt eine Faszination auf sie aus. Sie spricht sehr häufig vom Tod, nimmt das Thema unheimlich ernst und verliert sich in ihren Gedanken dazu, (S. 24). Am Ende des Romans wird angedeutet, dass sie Selbstmord begeht. Eine solche Tat wird im Allgemeinen mit einer psychischen Störung, insbesondere mit einer Depression, in Verbindung gebracht. Zerbrechlichkeit und Stärke Agnes vereint gegensätzliche Eigenschaften in sich. Auf der einen Seite wirkt sie schwach und schutzbedürftig: Sie friert sehr schnell (S. 73), und beim Weinen schluchzt oder wimmert sie, (S. 90, 118). Agnes stellt ihrem Freund sehr viele Fragen, als könne er ihr die Welt erklären, z. B.: „Was geschieht mit den Vögeln, wenn der See zugefroren ist?“, (S. 114). Es wirkt streckenweise, als suche sie in ihrem Partner eine Vaterfigur, was daher kommen könnte, dass sie zu ihrem wirklichen Vater eine sehr schlechte Beziehung hatte: Sie fühlte sich schon als Kind von ihm nicht akzeptiert, (S. 33). Auf der anderen Seite wirkt Agnes emanzipiert, intelligent und willensstark. Der Erzähler sagt einmal zu ihr: „Du bist so selbstständig …“, (S. 65). Sie blüht auf, wenn sie über ihre Arbeit spricht, (S. 45). Agnes ist individualistisch: Sie mag es nicht, Teil von großen organisierten Gruppen zu sein. So hat sie es z. B. als Kind gehasst, Pfadfinderin zu sein, (S. 32). Agnes’ Ideen sind originell: Statt den Fahrstuhl zu nehmen, nimmt sie bis zum 27. Stock des Wohnhauses ihres Freundes die Treppe, um zu überprüfen, ob er überhaupt in diesem Stockwerk wohnt (S. 49). Ihre Kreativität zeigt sich auch darin, dass sie ohne Übung eine gute Kurzgeschichte schreiben kann (S. 42). Es ist ein Rätsel, wie es um Agnes’ Selbstbewusstsein steht. Einerseits ist sie sehr nervös, als sie dem Erzähler ihre Geschichte präsentiert, und löscht diese sofort, als er beginnt, sie zu kritisieren, (S. 43 f.). Andererseits widerspricht sie dem Erzähler häufig, wenn sie anderer Meinung ist als er (S. 28). Auch, als er sich ein falsches Bild von ihr macht, sagt sie, sie wolle z. B. nicht als „unnahbar“ (S. 55) angesehen werden. Agnes ist eine gefühlsgeladene Person. Sie kann Hass empfinden (S. 32) oder tiefe Liebe (S. 129), und sie spricht über diese Empfindungen. Doch durch die Trauer, mit der sie zuletzt zu kämpfen hat, wird sie völlig aus der Bahn geworfen. Die unüberwindbare Trauer Agnes hat im Laufe der Handlung eine Fehlgeburt, unter der sie extrem leidet. Sie flüchtet sich in eine Fantasiewelt, (S. 116 f.). Doch diese Realitätsflucht gelingt ihr nur kurzzeitig, und der Aufprall ist besonders hart für Agnes, (S. 118). Sie kommt zwar wieder mit dem Erzähler zusammen, von dem sie sich zeitweise getrennt hatte, weil er das Kind nicht wollte, doch sie wirkt in sich gekehrt und vermeidet die Nähe zu ihm, (S. 121 f.). Zwar scheint sie selbst zu versuchen, sich durch verschiedene Aktivitäten vom Schmerz abzulenken (S. 122), doch sie bekommt Rückfälle. Sie kommt nicht darüber hinweg, dass ihr Kind in ihrem Körper gestorben ist, (S. 130). Letztendlich folgt Agnes anscheinend dem Beispiel ihres literarischen Alter Egos aus der Geschichte, die ihr Freund über sie schreibt, und begeht Selbstmord. Sicher ist dies allerdings nicht. Der Erzähler sagt, dass sie nicht wieder zurückkomme, und ganz am Anfang der Geschichte steht die Aussage: „Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet“ (S. 9). Agnes’ Freitod ist nicht unwahrscheinlich. Auch wenn sie behauptet, ihr mache es nichts aus, wenn ihr Freund mit einer anderen Frau Silvester verbringe (S. 141) – was sie wirklich denkt, weiß der Leser nicht. Vielleicht hat die Fehlgeburt eine ernsthafte Depression ausgelöst, die der Erzähler nicht als solche erkannt hat. Wir lernen Agnes nur aus der Perspektive des Icherzählers kennen. Seine Sichtweise ist unzuverlässig, denn er beschreibt Agnes zwar mehrdimensional, aber subjektiv. Die Unzuverlässigkeit bringt Agnes selbst auf den Punkt, als sie ihren Freund einmal fragt: „Was weißt du eigentlich von mir?“ (S. 127). Charakterisierung Der Icherzähler Inhalt • Der Einzelgänger • Der empfindsame Freund • Der freiheitsliebende Egoist • Agnes’ Idealisierung Der Einzelgänger Der Icherzähler des Romans „Agnes“ ist der Freund der Titelheldin. Er schreibt eine Geschichte über seine Freundin, die Einfluss auf die Realität des Liebespaares nimmt. Der Leser erfährt an keiner Stelle den Namen des Icherzählers. Er ist beinahe alt genug, um der Vater der 25-jährigen Agnes zu sein, (S. 26). Er bewohnt ein Appartement in einem Wolkenkratzer in Chicago, dem Doral Plaza (S. 25). Im Laufe der Geschichte zieht Agnes bei ihm ein. Der schweizerische Icherzähler lebt nur vorübergehend in den USA, (S. 124). Er ist von Beruf Sachbuchautor (S. 20), hat in seinem Leben allerdings noch nicht viele Bücher geschrieben: Das, was er erreicht hat, bezeichnet er selbst als „magere Ausbeute“, (S. 30). In seinem beruflichen Umfeld als Autor hat er nicht viele soziale Kontakte. Bevor der Icherzähler Agnes kennenlernt, ist er alleinstehend. Er hat einige gescheiterte Beziehungen hinter sich und hat sich mit seinem Singledasein „abgefunden“, (S. 15). Auch sonst ist er eher ein Einzelgänger. In der Stadt kennt er kaum jemanden (S. 14), auch nicht seine Nachbarn (S. 148), und er geht gern in ein Café, in dem die Kellnerinnen ihn nicht kennen, (S. 19). Er vermeidet soziale Situationen. Der Erzähler hat einen Hang zur Routine. Obwohl sein Arbeitsrhythmus unregelmäßig ist – mal arbeitet er mehr (S. 34), mal weniger (S. 56) –, ist sein Alltag durch feste Gewohnheiten strukturiert. Er geht oft in dasselbe Café (S. 19), liest die Zeitung, geht spazieren und arbeitet häufig in der Bibliothek, (S. 67). Dort trifft er Agnes zum ersten Mal. Auch mit ihr erlebt er eine Zeit des ruhigen, zufriedenen und routinierten Zusammenlebens, und er beschreibt, dass sie sich beide aneinander gewöhnen würden, (S. 67). Der empfindsame Freund Es scheint, als stelle der Icherzähler normalerweise recht oberflächliche Ansprüche an Romantik. Er selbst meint, er habe sich manchmal „in ein Gesicht verliebt“, (S. 14). Mit Agnes fühlt der Icherzähler sich anders. Er teilt mit ihr sein Interesse an Kunst und Politik (S. 20), philosophiert mit ihr über Leben und Tod (S. 24, 27), und er verliebt sich so stark in sie, dass er eine Art körperliche Sucht nach ihr empfindet, (S. 61). Früher hat der Erzähler Kurzgeschichten geschrieben, (S. 30). Als Agnes ihm eines Tages eine Geschichte zeigt, die sie selbst geschrieben hat, findet er diese besser als „alles“, was er „in den letzten zehn Jahren geschrieben habe“, (S. 43). Mit gekränktem Ego versucht er, schulmeisterhaft zu erklären, dass sie nicht „einfach so“ Schriftsteller werden könne, (S. 42). Diese neidische und empfindliche Reaktion ist ihm aber bald unangenehm. Er entschuldigt sich bei ihr für sein Verhalten. Das zeigt, dass er selbstreflektiert und dazu fähig ist, sich und anderen seine Fehler einzugestehen, (S. 47). Der Erzähler bezeichnet sich früh in der Beziehung als ihr „fester Freund“, (S. 47). Er wünscht sich also durchaus eine gewisse Bindung. Schnell wird er eifersüchtig, wenn Agnes von anderen Männern erzählt, (S. 114). Wenn sie im Gegensatz dazu keine Eifersucht auf seine Affäre mit Louise zeigt, ist sein Stolz verletzt, (S. 114). Obwohl der Erzähler eindeutig viele Emotionen hat und diese auch zeigt, wirkt er auf seine Freundin eher undurchschaubar. Sie bittet ihn eines Tages, die Geschichte über sie zu schreiben, weil sie erfahren will, was er wirklich über sie denkt, (S. 50). Als Freund ist er durchaus fürsorglich und liebevoll. Er macht die Hausarbeit, (S. 67). Zu Weihnachten bastelt er für Agnes einen Adventskranz, (S. 122). Und als Agnes zu Halloween leicht bekleidet nach draußen gehen will, rät er ihr zu wärmerer Bekleidung, (S. 84). Doch seine Fürsorglichkeit hat auch Grenzen, die im nächsten Abschnitt dargestellt werden. Der freiheitsliebende Egoist Wenn der Erzähler auch eher zärtlich wirkt, hat er auch eine unsensible, rationalistische Seite. Mit Agnes’ unerwarteter Schwangerschaft kann er nicht umgehen. Anstatt mit ihr vorsichtig über seine Zweifel zu reden, ist seine Reaktion auf die Neuigkeit pure Ablehnung. Als sie dann verzweifelt, bekräftigt er nur wiederholt, er wolle kein Kind, und weist sie darauf hin, dass sie abtreiben könnte, (S. 89 f.). Die Beziehung scheitert vorläufig. Kurz nach Weihnachten wird Agnes krank. Zu Beginn pflegt der Erzähler sie, doch lange hält er diesen Zustand nicht aus. Weniger als eine Woche nach Krankheitsbeginn zieht es ihn nach draußen. Er geht auf Louises Silvesterparty und führt seine Affäre fort, (S. 142 ff.). Das zeugt von wenig Geduld und einem starken Freiheitsdrang. Letzterer äußert sich auch darin, dass er sich nicht auf einen einzigen Partner festlegen und keine feste Bindung – etwa durch ein gemeinsames Kind – eingehen will. Weil ihm Freiheit wichtiger ist als das persönliche Glück einer Liebesbeziehung, werfen ihm Frauen immer wieder Egoismus vor, (S. 110). Bevor er Agnes kennenlernte, hat sich der Erzähler davor geschützt, durch Liebesgeschichten verletzbar zu werden. Er hat es vermieden, Gefühle zu entwickeln, damit sie keine „Bedrohung“ für sein freies Leben werden können, (S. 15). Mit Agnes findet er einen Weg, trotz der Liebe die Kontrolle zu behalten, indem er die Geschichte über sie schreibt. Agnes’ Idealisierung Als die Geschichte die Realität überholt, wird die fiktive Agnes zum idealisierten „Geschöpf“ des Erzählers, (S. 62). Eine Zeit lang geht das gut, und der Erzähler übt eine spielerische Kontrolle über Agnes aus: Sie trägt zum Beispiel die Kleider, die er in der Geschichte beschreibt (S. 63), und sie zieht aufgrund der Handlung der Geschichte bei ihm ein, nachdem die fiktiven Figuren sich darauf einigen. Doch als die echte Agnes schwanger wird, verliert der Erzähler die Kontrolle und kurzzeitig auch das Interesse an der Beziehung. Die Idealisierung von Frauen und die Entwicklung unerfüllbarer Erwartungen an seine Partnerin sind Angewohnheiten des Erzählers. Bereits zuvor hat er eine Beziehung scheitern lassen, weil er enttäuscht von einer Frau war, als sie nicht seiner Fantasieversion von ihr entsprochen hat, (S. 92). Agnes, die zuerst nicht zum Idealbild des Erzählers passt, weil sie schwanger wird, und später nicht, weil sie sich nicht von der Fehlgeburt erholt, wird Opfer der Fantasie des Erzählers. Als er seine literarische Figur sterben lässt, folgt Agnes höchstwahrscheinlich dem Beispiel ihrer fiktiven Vorlagefigur und wählt den Freitod, (S. 152). Die tragische Figur des Erzählers ist ein Mann mit zwei Gesichtern – einerseits der sensible und gefühlvolle Partner, andererseits ein bindungsscheuer Junggeselle –, in jedem Fall ein Mann, der aufgrund seiner unrealistischen Erwartungshaltungen Probleme mit seinen Beziehungen zu Frauen hat. Charakterisierung Louise Inhalt • Hintergrund und Lebensstil • Vorurteile und Selbstdarstellung • Die einsame Geliebte Hintergrund und Lebensstil Louise ist eine Nebenfigur in dem Roman „Agnes“ von Peter Stamm. Sie beginnt eine Affäre mit dem Icherzähler, während dieser zeitweise nicht mehr mit Agnes zusammen ist. Louise ist dreißig Jahre alt und hat ihr bisheriges halbes Leben in Chicago gelebt, (S. 85 f.). Ihr Vater ist gebürtiger Franzose, ihre Mutter Amerikanerin, (S. 85). Die Mutter kommt aus einer alten, wohlhabenden englischen Familie, (S. 101). Der Vater dagegen stammt aus einfachen Verhältnissen, und Louise ist der Meinung, er habe „gut geheiratet“, (S. 102). Die Eltern leben in Oak Park, einem reichen Vorort von Chicago, (S. 98). Hier hat auch Louise ihr Appartement über dem Haus ihrer Eltern, (S. 145). Sie meint, ihre Eltern seien „schon in Ordnung“, und es sei für sie kein Problem, bei ihnen zu leben, (S. 143). Der Leser erfährt nichts über Louises Aussehen. Nur das Merkmal ihrer Aussprache, die einen französischen Akzent aufweise, wird erwähnt, (S. 84). Louise ist stolz darauf, nicht in den USA aufgewachsen zu sein. „Nein, bewahre“, antwortet sie auf die Frage, ob sie nicht aus Chicago komme, (S. 84). Sie ist eine klassische „Karrierefrau“: Sie lebt in den USA, weil sie hier eine gute Arbeitsstelle im PR-Bereich der Güterwagen-Vermietungsfirma Pullman-Leasing hat, (S. 85). Ihre Arbeit ist ihr wichtiger als ihr Wohnort: Obwohl sie Frankreich den USA vorziehen würde, meint sie, es sei ihr egal, wo sie lebe, sie bleibe wegen der Arbeit in Chicago, (S. 143). Wie ihre Eltern ist Louise großzügig und gastfreundlich. Die Eltern laden den Erzähler oft ein, etwa zum Thanksgiving-Dinner (S. 98) und zu ihrer Silvesterfeier, und Louise schickt ihm auch ein Weihnachtsgeschenk, (S. 126). Louise wirkt zunächst sehr selbstbewusst und wie eine Person, die weiß, was sie will. Sie fühlt sich vom Erzähler angezogen und geht, als sie sich das erste Mal auf einem Firmenfest sehen, einfach zu ihm und spricht ihn an, (S. 84). Schon an diesem Abend küsst sie ihn zum Abschied auf die Wange, sagt, wie gut sie sich mit ihm unterhalten habe, und gibt ihm ihre Privatnummer, (S. 86). Sie schlägt ihm vor, sie auf ihrer Arbeit zu besuchen, um im Archiv für sein Buch zu recherchieren. Obwohl er darauf nicht sofort reagiert, spricht sie ihn wieder an, als sie ihn in der Bibliothek sieht, und schlägt ihm vor, Kaffee trinken zu gehen, (S. 97). Hier kommt eine weitere Eigenschaft zum Vorschein: Louise ist sehr geltungsbedürftig und rücksichtslos. Sie spricht extra nicht leiser, obwohl sich jemand in der Bibliothek über ihre Lautstärke beschwert, (ebd.). Rücksichtslos verhält sich Louise auch in Bezug auf die Beziehung des Icherzählers zu Agnes. Obwohl sie davon weiß, flirtet sie beim Kennenlernen mit ihm. Vorurteile und Selbstdarstellung Arroganz ist wohl Louises deutlichster Charakterzug, den sie nicht zu verstecken versucht. Insbesondere in Bezug auf Menschengruppen, denen gegenüber Louise Vorurteile hegt, zeigt sie diesen Charakterzug. Das Erste, was sie zum Erzähler sagt, sind abfällige Bemerkungen über Amerikaner. Sie drückt ihr Missfallen über die Halloween-Parade und die amerikanische Popkultur aus, (S. 84). Andere Male macht sie verächtliche Sprüche über amerikanische Frauen: Sie trügen alle Wollunterhosen (S. 85), sähen Sex als eine Dienstleistung an Männer an, sie spielten ständig krank, (S. 143). Für amerikanische Männer empfinde sie aufgrund dessen Mitleid, (S. 85). Amerikaner bezeichnet sie als „dekadente Wilde“ (S. 86), und auch über Männer im Allgemeinen hat sie eine vorgefasste Meinung: Sie seien alle „Idioten“, die sich nur von Frauen angezogen fühlten, die sie zurückwiesen, (S. 146). Im Gegensatz dazu stellt sich Louise selbst als begehrenswert, intelligent und kultiviert dar. Sie betont öfter, dass sie mehrere Liebhaber habe (S. 144) und bezeichnet diese als „meine Männer“, (S. 146). Sie erzählt dem Icherzähler, wie viele Männer bereits Interesse an ihr gezeigt hätten, (S. 143). Als der Erzähler sie auf der Arbeit besucht, sagt sie ihm, es sei in Ordnung, wenn sie beide sich nur amüsieren würden, ohne dass Liebe im Spiel wäre, (S. 106). Louise identifiziert sich nach außen hin mit der Rolle der Geliebten. Sie meint auch, sie könne viel besser mit Männern als mit Frauen auskommen, weswegen sie nicht viele Freunde habe – sondern eben Liebhaber, (S. 144). Wahrscheinlich glaubt sie, sich beim Erzähler mit dieser Koketterie interessant machen zu können. Die Ironie der Figur Louise ist ihr Mangel an Selbstreflexion. Sie wirft dem Erzähler vor, er habe sie „von Anfang an in die eine Schublade geworfen“ (S. 147) – dabei ist Schubladendenken eine ihrer auffälligsten Gewohnheiten. Sie lästert auch darüber, dass ihre Mutter sich gern mit den Namen berühmter Leute schmücke (S. 102) – dabei lässt sie selbst sehr häufig in Gesprächen bekannte Namen fallen, (S. 101). Die einsame Geliebte Einige von Louises spitzen Bemerkungen richten sich konkret gegen Agnes, woran man eine durch Überheblichkeit getarnte Eifersucht erkennen kann. Sie bezeichnet Agnes immer wieder herablassend als des Erzählers „kleine Freundin“ (S. 85, 98, 143) und macht sich über ihren Namen lustig, (S. 98). Als sie und der Erzähler sich das letzte Mal sehen, bezeichnet sie Agnes abfällig als „Cinderella“, (S. 147). Der Leser bekommt im Laufe der Handlung den Eindruck, dass Louise sich selbst in der Rolle der besserwissenden Geliebten gefällt. Doch zum Schluss, als ihr bewusst wird, dass der Erzähler bei Agnes bleiben wird, zeigt sie ihre verletzliche Seite, und es wird leichter, ihre Überheblichkeit und Selbstdarstellung als das zu erkennen und zu verstehen, was es in Wirklichkeit ist: eine emotionale Schutzmauer. Als der Erzähler von der starken Bindung zwischen ihm und Agnes erzählt, macht sie ihn schließlich darauf aufmerksam, dass auch zwischen ihnen etwas Besonderes sei, und dass sie bereit wäre, ihre Beziehung wachsen zu lassen, (S. 146). Sie wirft ihm vor, der Beziehung keine Chance gegeben zu haben, und deutet an, dass sie Gefühle für den Erzähler entwickelt habe, (S. 147). Als er darauf nicht eingeht, wird ihre Rhetorik wieder verletzend, was zeigt, dass Louise zutiefst verbittert über die Rolle ist, die sie in dieser Dreiecksgeschichte spielt. Im Grunde ist Louise, genau wie alle anderen, eine tragische Figur im Roman „Agnes“. Figurenkonstellation Die beiden Hauptpersonen des Romans sind Agnes und der Icherzähler. Ihre Liebesgeschichte steht im Mittelpunkt der Handlung. Obwohl die beiden viel Zeit gemeinsam verbringen, ist auffällig, dass sie kaum gemeinsame Bekannte haben. Jeder der beiden Hauptfiguren lebt sozusagen in einer eigenen Welt außerhalb der Wohnung, die sie teilen: Agnes geht zur Universität, wo ihr Professor sie anleitet. Der Icherzähler ist Sachbuchautor, und er vertröstet hin und wieder seinen Verleger auf eine längere Wartezeit. Der Icherzähler hat eine Affäre mit Louise, Agnes hatte früher eine kleine Romanze mit einem Schauspieler namens Herbert. Agnes denkt viel an Personen aus ihrer Kindheit und an das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater, während der Erzähler eher in der Gegenwart lebt. Er kennt die Kellnerin aus seinem Stammcafé, in das er häufiger alleine geht, er lernt auf einer Zugreise nach New York, die er auch allein macht, ein paar Menschen kennen, und schließlich begegnet ihm einer seiner Nachbarn, als er allein nach Hause kommt und an die falsche Tür klopft. Es gibt also viele Nebenfiguren im Roman, und diese haben sogar manchmal ihre eigenen Geschichten (die Passagierin erzählt von ihrem Geliebten Paco, Herbert wurde einmal von einer fremden Frau geküsst). Doch gemeinsame Augenblicke mit anderen Menschen gibt es nur selten für Agnes und den Erzähler. Der anzügliche Verkäufer, der unten in ihrem Wohnhaus arbeitet, fällt ihnen beiden auf. Auch die Frau, die sie bei ihrem ersten Date vor dem Restaurant liegen sehen, ist Teil der gemeinsamen Welt, doch sie ist schon tot. Als „Zeuge(n)“ (S. 71) bezeichnet Agnes den Parkaufseher, der den beiden Anweisungen gibt, als sie einen Ausflug in die Wildnis machen. Er hat sie beide gesehen, und die Bezeichnung ist sehr passend: Er könnte bezeugen, dass die beiden als Liebespaar überhaut existieren, genau, wie die Videoaufnahmen, die Agnes bei diesem Ausflug macht, ein Beweis dafür sind. Eine weitere Figur gibt es, die die Existenz der Beziehung bezeugen könnte, aber nur, weil sie eine Grenze durchbricht: Eine Kollegin aus Agnes’ Streichquartett ruft einmal den Erzähler an und hat somit Kontakt zu beiden Protagonisten gehabt. Sie betont allerdings, Agnes hätte diese Aktion nicht gewollt, hätte sie davon erfahren. Epoche Benötigst Du für den Deutschunterricht Informationen rund um den Roman „Agnes“? Fragst Du Dich, in welche Epoche man einen Roman einordnet, der in der heutigen Zeit geschrieben wurde, und wie Peter Stamm eigentlich auf den Namen „Agnes“ gekommen ist? Dann ist dieses Dokument zur Epoche von „Agnes“ genau das Richtige für Dich. Hier findest Du eine Kurzbiografie des Autors Peter Stamm, interessante Hintergrundinformationen zur Entstehung seines Debütromans und eine Zusammenfassung der zeitgenössischen Kritiken. Außerdem wird Dir leicht verständlich erklärt, welche Merkmale der postmoderne Roman hat, und, um diese besser nachvollziehbar zu machen, werden sie anhand von „Agnes“ mit anschaulichen Beispielen belegt. Entstehung „Agnes“ ist ein Roman, für den der Schriftsteller Peter Stamm viel Anerkennung bekommen hat. Das 1998 erstmals herausgegebene Werk gehört heute zum Pensum vieler deutscher Abiturienten und wurde bereits in 24 Sprachen übersetzt. Die Geschichte über „Agnes“ existiert, allerdings in etwas anderer Form, schon seit 1993. Das Typoskript mit dem Titel „Agnes – Geschichten aus der Neuen Welt“ hat etwa den Umfang einer Novelle, als Peter Stamm zum ersten Mal versucht, einen Verleger dafür zu finden. Zunächst bekommt er nur Absagen. Als er später einen großen Teil seiner Arbeit als Journalist verliert, widmet Stamm sich wieder seinem vor zwei Jahren begonnenen literarischen Projekt. Er macht aus „Agnes“ ein Hörspiel für den Sender Radio Bremen und legt auch sein Typoskript nochmals bei mehreren Verlagen vor. Wieder bekommt er Absagen, dieses Mal jedoch sind sie viel ermutigender formuliert als bei seinem ersten Versuch. Ein Jahr später, 1998, kann Stamm endlich einen Kontakt zu einer Agenturmitarbeiterin herstellen, die den Roman dem Arche-Verlag zukommen lässt. Von diesem Verlag bekommt Stamm endlich eine Zusage zur Veröffentlichung seines ersten Romans. Peter Stamm hat auch ein Drehbuch für „Agnes“ geschrieben, doch die Finanzierung der Verfilmung ist nicht zustande gekommen. Der Icherzähler und Freund der Titelheldin, der in der literarischen Fassung namenlos bleibt, heißt in der Drehbuchfassung interessanterweise Walter (siehe auch: Vergleich „Homo Faber“ und „Agnes“). Nach eigenen Angaben musste der Autor nicht besonders viel recherchieren, um den Inhalt von „Agnes“ zu konstruieren – nur über die Geschichte des Pullman-Streiks habe er sich etwas genauer informieren müssen. Die erste Inspiration für den Roman sei ihm in einem Moment gekommen, als er seine damalige Freundin angesehen habe und ihr Gesicht ihm ganz fremd vorgekommen sei. Aus dieser Situation sei später die erste Idee für das Buch entstanden. Die Szene, bei der der Icherzähler das Gesicht seiner Freundin plötzlich als fremd empfindet, ist mit in die Endfassung des Romans eingegangen (S. 58 f.). Allerdings ist die gesamte Geschichte weder die Wiedergabe von Peter Stamms eigenen Erlebnissen noch sind die Figuren literarische Abbilder echter Menschen. Die Eigenschaften der einzelnen Charaktere sind vielmehr durch mehrere Personen inspiriert und vom Autor in einer literarischen Figur zusammengefügt. Auf den Namen der Titelheldin ist der Autor durch das Gedicht „The Eve of St. Agnes“ von John Keats gekommen. Und Chicago hat Stamm sich als Handlungsort ausgesucht, weil er die Stadt einst besuchte und ihm das Klima als für seinen Roman passend im Gedächtnis geblieben ist. Der Freund, den Stamm in Chicago aufgesucht hat, wohnte – wie der Icherzähler des Romans – im Doral Plaza. Literarischer Hintergrund Inhalt • Die Postmoderne • Merkmale der Postmoderne im Roman Die Postmoderne Die Postmoderne ist, wie der Name schon verspricht, die literarische Strömung, welche auf die Moderne folgt. Sie ist die zurzeit aktuelle Literaturströmung, das heißt, zeitgenössische Autoren sind häufig Vertreter der Postmoderne. Der Vorläufer der Postmoderne, die Moderne, entsteht Anfang des 20. Jahrhunderts. In dieser Zeit ist es ein wesentlicher Bestandteil der Literatur, Geschichten subjektiv zu erzählen. Dieses wichtige Merkmal zieht sich bis in die Postmoderne und wird dort sogar noch erweitert. Die Postmoderne entsteht ungefähr in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Autoren sind nach dem Zweiten Weltkrieg desillusioniert: Man glaubt nicht mehr an die Freiheit des Individuums, sondern an eine starke Formung des Menschen durch seine Umgebung, aus der er sich nicht lossagen kann. So erklärt man sich u. A. die Schrecken des Nazi-Regimes, die durch Menschenhand ausgeführt wurden – von indoktrinierten und gleichgeschalteten Bürgern. Einen höheren Sinn des Lebens scheint es angesichts der Katastrophe nicht zu geben, und das Streben danach wird als bedeutungslos angesehen. Das spiegelt sich in der Literatur wider. Obwohl sich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wichtige politische, gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Umbrüche vollzogen haben, zieht sich das Motiv des der Sinnlosigkeit ausgelieferten Individuums einige Jahrzehnte danach immer noch durch die Literatur. Berühmte Vertreter sind neben Peter Stamm z. B. Robert Schneider (Schlafes Bruder), Patrick Süskind (Das Parfum), Umberto Eco (Im Namen der Rose) und Michael Ende (Die unendliche Geschichte). Merkmale der Postmoderne im Roman Anhand von Peter Stamms Roman „Agnes“ kann man diese Stimmung des postmodernen Romans gut nachvollziehen. Außerdem hat der Roman andere für die aktuelle Literaturströmung typische Eigenschaften. Die beiden Hauptfiguren des Romans, der Sachbuchautor und Icherzähler und seine Freundin Agnes, führen eine für die heutige Zeit typische Beziehung: Sie sind nicht verheiratet, wohnen aber zusammen. Sie planen nicht, gemeinsam eine Familie zu gründen, obwohl die Titelheldin, als sie dann schwanger wird, das Kind bekommen will. Der Erzähler ist aber dagegen (S. 89). Er hat große Schwierigkeiten mit festen Bindungen, sehnt sich aber gleichzeitig nach Nähe und Liebe, welche er dann fast als eine „Sucht“ empfindet (S. 61) und für die er letztendlich kämpfen will (S. 146), obwohl es seinem Lebensstil widerspricht. Diese Verhältnisse sind heute möglich, weil es normal geworden ist, dass junge Leute (auch Frauen) allein wohnen, dass sie Sex vor der Ehe haben können, ohne deswegen als moralisch fragwürdig zu gelten, und dass Frauen die Freiheit haben, sich selbst im Falle einer Schwangerschaft für oder gegen ein Kind zu entscheiden. In den 1950er-Jahren waren all diese Faktoren noch völlig anders, und die zwischenmenschlichen Beziehungen unterlagen ganz anderen Bedingungen. Agnes‘ Geschichte endet tragisch. Nachdem sie eine Fehlgeburt hat, verliert sie den Lebensmut und lässt sich vermutlich schließlich zum Selbstmord treiben. Der Erzähler, dessen Geschichte Agnes zu dieser Tat „inspiriert“ hat, beschreibt dieses Ende sehr neutral und mit einer unheimlich wirkenden Kälte. Hier sind die Einstellung der Sinnlosigkeit und die Desillusionierung ganz klar zu erkennen. Der Icherzähler präsentiert die Geschichte nur aus seiner eigenen Sichtweise. Diese ganz subjektive Erzählperspektive findet man auch in anderen literarischen Epochen, z. B. ist sie ein wichtiger Bestandteil der subjektiven Moderne. Doch dieser Icherzähler in Stamms Geschichte geht einen Schritt weiter. Er bleibt namenlos, was beim Leser das Gefühl auslöst, nicht einmal zu wissen, wer hier erzählt. Und das, was „er“ erzählt, ist völlig von seiner eigenen Sicht der Dinge abhängig, das heißt, der Erzähler ist unzuverlässig. Darauf wird in „Agnes“ sogar angespielt: Der Icherzähler schreibt in der Romanhandlung eine Geschichte über seine Freundin Agnes, doch er schreibt manches anders, als sie es schreiben würde. Er findet verschiedene Dinge wichtiger als sie, und erinnert sich an Details manchmal völlig anders, als Agnes dies tut (S. 56 f.). Man kann also davon ausgehen, dass er auch die „originale“ Geschichte (die Romanhandlung) nicht so wiedergibt, wie z. B. Agnes oder Louise es getan hätten. Das ist auch ein weiteres für die Postmoderne typisches Merkmal von „Agnes“: Der Roman wirkt sehr konstruiert. Von Beginn an weiß der Leser, wie die Geschichte enden wird („Agnes ist tot“, S. 9), und findet beim Lesen nun heraus, wie es dazu gekommen ist. Außerdem bewirkt der Umstand, dass sozusagen in der Geschichte eine Geschichte geschrieben wird, die Einfluss auf die tatsächliche Handlung nimmt, wie ein sehr deutlicher Kunstgriff. Auch die Sprache, welche in „Agnes“ verwendet wird, ist zeitgemäß. Sie ist für einen heutigen jungen Leser leicht zu verstehen, ohne dabei jugendsprachlich zu sein. Die Dialoge sind recht kurz und wirken natürlich, denn es werden im Allgemeinen keine besonderen Ausschmückungen verwendet. Alles wird auf den Punkt gebracht, ohne dabei künstlich reduziert zu wirken. Trotzdem hat der Leser eine wichtige, anspruchsvolle Aufgabe. Weil der Erzähler so unzuverlässig ist, muss man sich seine eigene Deutung vom Roman machen. Es gibt viel Symbolik in dieser Geschichte, wiederkehrende Motive und eine subtile Stimmung, die der Leser erst einmal erfassen muss. Es ist am Ende nicht einmal hundertprozentig bewiesen, dass Agnes tatsächlich gestorben ist. Schließlich ist auch die Intertextualität und Intermedialität, also die Verweise auf andere literarische Texte oder auf Kunstwerke oder Musik, ein Merkmal des postmodernen Romans, welches in „Agnes“ sehr ausgeschöpft wird. Erwähnt werden z. B. das Theaterstück „Mörder, Hoffnung der Frauen“ (S. 39), das Gedicht „A Refusal to Mourn the Death, by Fire, of a Child in London“ von Dylan Thomas (S. 130) oder die Komponisten Mozart und Schubert (S. 121). (Mehr zur Intertextualität und Intermedialität gibt es in der Analyse zu „Agnes“ zu lesen.) Rezeption und Kritik Die meisten Kritiker waren von dem Roman „Agnes“ positiv beeindruckt, auch und besonders mit Hinblick darauf, dass es sich um ein literarisches Debüt handelt. Der Roman wurde in seinem Erscheinungsjahr 1998 in der Fernsehsendung „Literaturclub“ besprochen. Hier zeigten die Kritiker größtenteils eine positive Haltung zu dem Werk, mit Ausnahme von Elke Heidenreich, bei der der Roman Empörung ausgelöst hat. Sie bezeichnete ihn als „konstruiert”, „kalt” und „blutarm“, als „eine Bankrotterklärung ans Leben” und meinte, das Buch sei „grauenhaft zu lesen“. Andreas Isenschmidt dagegen fand den Roman „absolut entzückend und exzellent”, und Adolf Muschg betonte, dass man dem Autor „absolut superbes Handwerk” bestätigen könne. Auch die weiteren Aussagen waren grundsätzlich nicht ablehnend, wenn auch über die Deutung der Geschlechterproblematik, die im Buch thematisiert wird, hitzig diskutiert wurde. In den Zeitungen wurde der Roman ebenfalls sehr gelobt. Der Spiegel schrieb am 19. 10. 1998, „Agnes“ sei eine „realistische, zugleich phantastische Geschichte”, und es wird bemerkt, dass die Hauptfigur dieses Romans wie ein Insekt sei, das von einem Wissenschaftler (dem Icherzähler) während eines Experimentes unter dem Mikroskop beobachtet werde. In der FAZ wurde die Geschichte am 24. 04. 1999 als „eine verstörende Parabel über die Macht der Literatur” bezeichnet, weil die Story, die im Roman von dem Icherzähler geschrieben wird, einen so großen Einfluss auf das Leben der Titelheldin – und auch auf ihr Ende – habe. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Stamm in diesem Roman viele Beschreibungen der amerikanischen Lebensweise und Mentalität der europäischen gegenüberstelle, dabei aber niemals urteile. Die Neue Zürcher Zeitung nannte den Roman am 08. 10. 1998 „ein kluges, in jeder Hinsicht überzeugendes Buch“. Der Leser sei Zeuge eines „faszinierenden literarischen Ernstfalles“ und eines „fulminanten Schweizer Débuts“. Besonders anerkannt wurde der Roman auch dadurch, dass er den Rauriser Literaturpreis 1999 gewann. Analyse „Agnes“ ist ein Roman aus den 1990er-Jahren, und er ist in leicht verständlicher Sprache geschrieben. Und doch gibt es so vieles zu entdecken in dieser Geschichte, was nicht auf den ersten Blick offensichtlich ist. Außerdem ist „Agnes" ein intelligent konstruierter Debütroman von Peter Stamm, der viele Hinweise auf andere Kunstformen, einen hochinteressanten Aufbau und eine zum Nachdenken anregende Erzählerperspektive bietet. Für Freunde von Symbolik ist der Roman eine wahre Fundgrube. Da er in leichter Sprache formuliert ist, kann er jeden Leser begeistern. In dieser Analyse findest Du viele Anregungen zum besseren Verständnis des Romans. Sein Aufbau, die Sprache, die verschiedenen Stilmittel, die Erzähltechnik, die Zeitstruktur und die Intertextualität werden genau untersucht und anhand vieler Textbeispiele erklärt – natürlich mit genauen Seitenangaben. Somit bekommst Du das perfekte Werkzeug, um Dich mit geschärftem Blick in den Roman zu vertiefen, und eine gute Grundlage für die Interpretation im Deutschunterricht. Aufbau Inhalt • Hauptstruktur • Sinnabschnitte und Ereignisse • Spannungsaufbau • Rahmen Hauptstruktur Die Handlung wird in 36 kurzen Kapiteln erzählt, was den Roman sehr lesefreundlich macht. Die Kapitel wirken wie kurzweilige Stückchen eines Gesamtwerkes. Die dominierenden Figuren in „Agnes“ sind eindeutig die Titelheldin und der Icherzähler. Die Affäre des Icherzählers mit Louise gibt ihrer Figur auch in wenigen Kapiteln etwas Spielraum (Kapitel 18, 21-23, 33-34), doch alle anderen Figuren sind nur Randerscheinungen, die nicht viel zur Handlung beitragen. Herbert, Agnes‘ Jugendliebe, wird zwar von ihr häufig genug erwähnt, um den Erzähler eifersüchtig zu machen, doch er tritt in persona tatsächlich nie auf. Sinnabschnitte und Ereignisse Der Roman „Agnes“ handelt von der Liebesbeziehung zwischen der Titelheldin und dem Icherzähler. Man kann die Handlung grob in 10 Sinnabschnitte einteilen, die auf den Phasen der Beziehung beruhen, z. B. folgendermaßen: 1. Rahmen, Teil 1 (Kapitel 1): Der Erzähler ist allein zu Hause, denn Agnes ist verschwunden/tot. Er erinnert sich im Rückblick an seine Geschichte mit ihr. 2. Beginn der Beziehung (Kapitel 2-6): Agnes und der Erzähler lernen sich kennen und kommen zusammen. 3. Erste Reise (Kapitel 7): Der Erzähler unternimmt ohne Agnes eine Reise nach New York. 4. Fortgang der Beziehung (Kapitel 8-14): Die Beziehung wird fester, und der Erzähler beginnt, eine Geschichte über Agnes zu schreiben. 5. Zweite Reise (Kapitel 15-16): Agnes und der Erzähler unternehmen einen Ausflug in die Wildnis und entfliehen dem Großstadtleben. 6. Krise und Trennung (Kapitel 17-20): Agnes wird schwanger, und die beiden trennen sich. 7. Affäre (Kapitel 21-23): Der Erzähler beginnt eine Affäre mit Louise. 8. Krise und Wiederaufnahme der Beziehung (Kapitel 24-29): Agnes hat eine Fehlgeburt und kommt wieder mit dem Erzähler zusammen. 9. Krankheit und Zerbrechen (Kapitel 30-35): Agnes wird krank und vom Erzähler gepflegt. Er führt seine Affäre mit Louise weiter. 10. Rahmen, Teil 2 (Kapitel 36): Agnes geht/begeht Selbstmord. Der Erzähler ist allein zu Hause. Spannungsaufbau Wie bereits erwähnt wurde, kennt der Leser von Beginn an das Ende von „Agnes“, denn bereits der erste Satz lautet: „Agnes ist tot“, (S. 9). Trotzdem verdirbt diese Ankündigung nicht das Interesse des Lesers an der Geschichte, sondern unterstützt die Spannungserzeugung. Man fragt sofort nach dem Warum und bekommt mit dem zweiten Satz eine noch mehr Ratlosigkeit erzeugende Antwort: „Eine Geschichte hat sie getötet“, (ebd.). Weil Geschichten normalerweise keinen Tod bringen, wird das Interesse des Lesers geweckt, der unbedingt erfahren will, wie es dazu kommen konnte und was die Aussage bedeutet. Als der Erzähler in der Handlung beginnt, eine Geschichte über Agnes zu schreiben (S. 53), bekommt man als Leser eine Idee, dass diese Geschichte in irgendeiner Weise zum Tod der Titelheldin führen wird. Einmal kommt der Erzähler beim Verfassen seiner Geschichte an einen Punkt, der das Unheil andeutet und den Leser aufmerksam werden lässt. In seiner zufriedenen Phase der Beziehung mit Agnes scheint es ihm eines Tages, dass „ihr gleichmäßiges Leben sich nicht dazu eignete, beschrieben zu werden“. „Es muss etwas passieren, damit die Geschichte interessanter wird“, sagt er zu Agnes, (S. 68). Der Leser weiß bereits, wie die Geschichte endet, und ahnt daher, dass das, was nun passieren muss, nicht gut für Agnes enden wird. Ansonsten ist der Roman nicht besonders auf Spannung ausgelegt, sondern konzentriert sich eher darauf, die Geschehnisse aus der sehr eingeschränkten Sicht des Icherzählers wiederzugeben. Der Leser kann dadurch das, was passiert, selbst interpretieren. Er kann sich darüber Gedanken machen, ob Agnes psychische Probleme hat. Er kann sich über Louises Intentionen den Kopf zerbrechen. Und am Ende kann der Leser sich fragen, ob Agnes wirklich tot oder nur gegangen und damit für den Icherzähler„gestorben“ ist. Die Geschichte verläuft recht gleichmäßig. Selbst wenn es für Agnes erst nach einer Fehlgeburt wirklich bergab geht, wird ihre Melancholie und ihr Potential zur Todessehnsucht lange vorher angekündigt („Es heißt, zu erfrieren sei ein schöner Tod“, S. 78). Sie hatte eine schwere Kindheit mit einem lieblosen Vater („Ich glaube, er hätte weniger geweint oder gar nicht, wenn ich gestorben wäre“, S. 33), sie hat viele Ängste (S. 12) und wirkt sehr zerbrechlich. Einen Hoffnungsschimmer stellt der Entschluss des Erzählers kurz vor dem Ende der Geschichte dar, sich nun auf die Beziehung mit Agnes zu konzentrieren und mit Louise Schluss zu machen (S. 146). Doch auf der anderen Seite weiß der Leser bereits, dass Agnes‘ Ende naht, und daher auch, dass dieser Entschluss zu spät kommt. Rahmen Die Romanhandlung hat einen eindeutigen Rahmen, und zwar die sich ähnelnden Kapitel 1 und 36, welche von der gleichen Situation erzählen, nämlich der, dass Agnes tot (S. 9) beziehungsweise gegangen und nicht mehr zurückgekommen ist (S. 158). Die Handlung ist sozusagen eingebettet in die Ausgangssituation des Erzählers. Er sitzt im ersten Kapitel allein in seiner Wohnung und erzählt, was er mit Agnes erlebt hat. Er sieht sich eine Videokassette mit Aufnahmen von einem Ausflug an, den er mit Agnes gemacht hat. Dieser Ausflug ist circa in der Mitte der Romanhandlung angesiedelt (S. 70 f.). Am Ende des Romans schließt sich der Kreis der Handlung, wir sind wieder zurück in der Wohnung des Erzählers, wo er allein ist. Der Roman hat ein geschlossenes Ende, denn die Geschichte der Titelheldin ist aus Erzählerperspektive durch ihren Tod eindeutig abgeschlossen: „Agnes ist nicht zurückgekommen“, (S. 153). Es ist aber auch möglich, dass Agnes nur gegangen ist und nicht wirklich Selbstmord begangen hat – der tödliche Ausgang ihrer Geschichte ist sozusagen eine Interpretation ihres Verschwindens durch den Erzähler, er wird aber nicht bewiesen. Trotzdem endet die Geschichte abgeschlossen, denn wie Agnes selbst einmal sagt: „Ich bin immer traurig, wenn ich ein Buch zu Ende gelesen habe […] Es ist, als sei ich zu einer Person des Buches geworden. Und mit der Geschichte endet auch das Leben dieser Person“, (S. 120). Symbolisch stirbt Agnes also auf jeden Fall, sobald der Roman ausgelesen ist. Sprache Inhalt • Satzkonstruktion und Wortarten • Englisch und Deutsch Satzkonstruktion und Wortarten Die Sprache, welche in „Agnes“ verwendet wird, entspricht dem aktuellen Hochdeutsch. Sie ist für einen heutigen Leser ohne Weiteres verständlich, weil keine besonderen Dialekte, Fremdwörter oder veraltete Begriffe vorkommen. Man findet viele einfache Hauptsätze in „Agnes“, und es gibt kaum Sätze mit Verschachtelungen oder Aneinanderreihungen von mehreren Nebensätzen. Der Satzbau wirkt gewöhnlich. Auch die Wortartenauswahl ist einfach gehalten: Mit Adjektiven und Adverbien wird besonders sparsam umgegangen. An vereinzelten Stellen wird auffällig, dass keine Substantive beschrieben, sondern nur benannt werden, z. B.: „Lange wanderte ich am See entlang. Am Ende des Grant Park fand ich ein Café. Es war niemand darin zu sehen, aber als ich eintrat, kam die Kellnerin aus dem Hinterzimmer. Sie machte das Licht an und fragte mich, was ich wünsche. Sie brachte mir einen Kaffee und verschwand wieder durch die Tür hinter der Theke”, (S. 92). Auf der anderen Seite werden einige Adjektive werden sehr häufig verwendet. Dazu gehören solche, die die Temperatur und Lichtverhältnisse beschreiben (siehe auch Abschnitt „Stilmittel“). Die im Allgemeinen ungeschmückt gehaltene Sprache trägt zu der Romanatmosphäre bei, in der die Figuren in einer kalten, kargen Stadt leben, die auch ihre psychischen Zustände widerspiegelt. Englisch und Deutsch Da die Geschichte in Chicago spielt, werden auch englische Titel oder Eigennamen verwendet. Der Titel der Videokassette mit den Aufnahmen vom gemeinsamen Ausflug heißt z. B. „Columbus Day in Hoosier National Forest“, (S. 10). Und die Bibliothek, in der sich Agnes und der Erzähler zum ersten Mal begegnen, wird mit ihrem Originalnamen, „Public Library“, benannt (S. 13). Die Dialoge zwischen allen Figuren sind allerdings in deutscher Sprache verfasst, obwohl die Figuren sich eigentlich auf Englisch unterhalten: Deutsch ist zwar die Muttersprache des Erzählers, doch er sagt an einer Stelle, es sei schade, dass Agnes kein Deutsch spreche, (S. 30). Auch die Geschichte, die der Erzähler über Agnes schreibt, ist auf Deutsch abgedruckt, obwohl der Erzähler sie für Agnes natürlich auf Englisch schreibt (S. 79 f.). Dagegen ist ein anderes literarisches Werk, das im Roman zitiert wird, nämlich ein Gedicht von Dylan Thomas, auf Englisch zitiert (S. 130). Auf der einen Seite behält der Roman also eine gewisse Authentizität durch die originalsprachlichen Titel, die Übernahme der original-englischen Literatur und der Eigennamen. Doch auf der anderen Seite sind die Dialoge für den Leser „übersetzt“ worden, sodass ein Leser, der kaum Englisch versteht, der Handlung folgen kann. Stilmittel Inhalt • Handlungswiederholungen • Metaphern • Ellipsen und Wiederholungen Handlungswiederholungen Sehr oft treten Wiederholungen der Tagesroutinen der Romanfiguren auf. Der Erzähler hat recht regelmäßige Gewohnheiten wie Spaziergänge, Cafébesuche oder die Arbeit in der Bibliothek. Auch sein Kennenlernen mit Agnes geschieht bereits in Form einer Routine: „Oft rauchten wir zusammen auf der Treppe oder tranken Kaffee“, (S. 22). Metaphern In „Agnes“ gibt es einige überwiegend recht offensichtliche Metaphern. Meistens handelt es sich um kleine Begebenheiten, die für etwas in der Beziehung zwischen Agnes und dem Icherzähler stehen. Beispiele: - „Die Kamera nähert sich mir von oben, kommt immer näher, bis das Bild unscharf wird, weicht zurück. Dann wandert sie über meinen Körper bis zu den Füßen und wieder zum Kopf. Lange bleibt sie auf dem Gesicht stehen, versucht, noch einmal näher zu kommen, aber das Bild wird wieder unscharf, und sie weicht von neuem zurück“, (S. 11). Diese Beschreibung dessen, was der Erzähler auf dem Video vom Ausflug in den Nationalpark sieht, bildet den Beziehungsverlauf zwischen Agnes und dem Erzähler ab: Agnes nähert sich dem Erzähler langsam an, doch als sie dann schwanger wird und er das Kind nicht will, „weicht sie zurück“, trennt sich von ihm. Dann nähern sich die beiden doch wieder an, kommen nochmals zusammen. Doch „das Bild wird unscharf“, denn Agnes kann ihre Fehlgeburt nicht überwinden, und „weicht von Neuem zurück“, sie verlässt den Erzähler, begeht vielleicht sogar Selbstmord. -„Dann und wann kamen wir an Häusern vorbei, die nicht alleine standen und doch kein Dorf bildeten“, (S. 34). Dieses Bild könnte auch für die Beziehung zwischen Agnes und dem Erzähler stehen, die zwar zusammen sind, aber „kein Dorf bilden“, also keine Familie gründen, sich nicht aufeinander festlegen und so weiter. -„Wir sollten Zweige knicken“, sagte Agnes, „damit wir zurückfinden.“ „Wir gehen nicht zurück“, sagte ich, „nicht diesen Weg“, (S. 72). Hier wird bei einem Spaziergang in der Wildnis im übertragenen Sinne angedeutet, dass die Beziehung nicht mehr wie vorher sein wird. Auf diesem Ausflug deutet sich auch Agnes‘ Schwangerschaft an, welche die Beziehung für immer verändern wird. -„Wirklich schaffte sie es, das Feuer mit einem Streichholz anzuzünden“, (ebd.). Diese Metapher steht eventuell dafür, dass Agnes „das Feuer“, also die Leidenschaft und Liebe, die der Erzähler für sie empfindet, schnell und ohne viel Aufwand ausgelöst hat. Ellipsen und Wiederholungen Der Satzbau ist stilistisch recht unauffällig und einfach gehalten. Ab und zu findet man im Roman Ellipsen, wie z. B. „Der Parkaufseher“ (S. 10) oder „Ausgerechnet an mich“, (S. 12). Doch zum größten Teil sind die Sätze vollständig ausformuliert. Ein Spiel mit der Wortstellung und mit Wortwiederholungen gibt es nur sehr selten in diesem Roman, dessen Sprache so schlicht wirkt. Als die Problematik um Agnes zum ersten Mal angerissen wird, steht geschrieben: „Sie mochte die Wohnung nicht, nicht das Haus, überhaupt die ganze Innenstadt nicht“, (S. 12). Motive und Symbole Inhalt • Motive o Blicke o Licht o Kälte und Wärme o Tod • Symbole Motive Ein besonders auffälliges Stilmittel in „Agnes“ sind die immer wiederkehrenden Motive, die viel zu der Stimmung im Roman beitragen. Die auffälligsten Motive sind die Erwähnung von Kälte und Wärme, die Todesthematik, die Blicke der Figuren und die Beschreibung des Lichtes oder der Dunkelheit. Blicke Die Blicke der Titelheldin und des Erzählers werden besonders häufig beschrieben in der Phase des Kennenlernens, weil sie auch die erste Form der Kontaktaufnahme darstellen: - „Nur ihr Blick war außergewöhnlich, als könne sie mit ihren Augen Worte übermitteln“, (S. 14). - „Immer wieder schaute ich zu ihr herüber (…) Sie reagierte nicht, sah nie auf, dennoch war ich mir sicher, daß (sic) sie meine Blicke bemerkte“, (ebd.). - „Sie wandte sich mir zu, als sei sie überrascht, aber in ihren Augen sah ich keine Überraschung, sah ich etwas, was ich nicht verstand“, (S. 15). - „Als Agnes gegen Mittag erschien, nickte sie mir wieder zu. (…) Nach vielleicht einer Stunde zog sie ihre Zigaretten aus dem Rucksack, blickte kurz darauf und dann zu mir herüber“, (S. 17). - „Agnes schaute quer durch den Raum, als habe sie jemanden entdeckt“, (S. 24). Licht Die oft beschriebenen Lichtverhältnisse schaffen einen Eindruck von der Stimmung in verschiedenen Situationen: - „Ich habe das Licht gelöscht und schaue hinaus auf die beleuchteten Spitzen der Wolkenkratzer, auf die amerikanische Flagge, die der Wind irgendwo im Licht eines Scheinwerfers hin und her schlägt“, (S. 9). - „Wir hatten das Licht nicht gelöscht, und es brannte noch immer, als wir irgendwann später in der Nacht einschliefen. Ich erwachte, als es draußen schon langsam hell wurde. Das Licht war jetzt gelöscht, […]“, (S. 26). - „Wir liebten uns, und dann war es draußen dunkel geworden“, (S. 45). - „Dann traf die Sonne das Zelt, und es wurde ganz hell darin und schnell wärmer“, (S. 75). Kälte und Wärme Die Temperaturen werden häufig näher dargestellt. Oft ist es Kälte, die die Figuren umgibt, manchmal aber auch Wärme: - „Es war kalt, als wir uns kennenlernten. Kalt wie fast immer in dieser Stadt. Aber jetzt ist es kälter, und es schneit“, (S. 9). - „Ich war etwas benommen, vielleicht weil ich aus der Kälte gekommen und weil es in der Wohnung warm war, fast zu warm“, (S. 132). - „Dann traf die Sonne das Zelt, und es wurde ganz hell darin und schnell wärmer“, (S. 75). Tod Das Todesmotiv kommt in der Handlung auch sehr häufig vor: - „Als ich am vereinbarten Abend zum Restaurant kam, lag davor auf dem Gehsteig eine Frau. (…) Von der nächsten Straßenecke aus rief ich den Notfalldienst an. (…) ,Tot‘, sagte der Fahrer, ,die hat’s geschafft‘“, (S. 22 f.). - „Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?“ „Nein“, sagte ich, „alles wäre irgendwie … sinnlos. Wenn es danach weiterginge“, (S. 26 f.). - „Ich war nicht froh, daß (sic) Jennifer gestorben war, aber ich war auch nicht traurig“, (S. 33). - „,Die Toten wissen nicht, daß (sic) das Dorf verlassen wurde‘, sagte Agnes“, (S. 77). Symbole Das immer wieder erwähnte Doral Plaza, das Hochhaus, in dem der Erzähler und später auch Agnes wohnen, symbolisiert in gewisser Weise Eigenschaften des Erzählers. Es ist sehr modern und nüchtern, und so wirkt auch der Erzähler oft. Die Menschen in diesem Haus kennen einander nicht (S. 148), was das Leben des Einzelgängers versinnbildlicht. Agnes findet es „nicht gut“ (S. 49), so weit oben zu wohnen, sie begründet dies aber nicht. Es ist ein Gefühl und steht wahrscheinlich dafür, dass sie für diese Beziehung mit dem Erzähler, der sie in schwierigen Situationen allein lässt, nicht geschaffen ist. Sie zieht dennoch zu ihm in den 27. Stock – und lässt sich auf den Erzähler ein, was dann ihr Ende mit sich bringt. Auch die Isolierfensterscheiben in der Wohnung des Erzählers haben symbolische Bedeutung. Der Erzähler denkt darüber nach, dass er mit einem Sprung aus dem Fenster bei Agnes sein könnte, die, wie er meint, tot sei – doch er kann es nicht tun, denn die Fenster lassen sich nicht öffnen (S. 9). Der Erzähler kann nie richtig zu Agnes kommen, schon während er mit ihr zusammen ist, denn er „öffnet“ sich nicht wirklich der Beziehung gegenüber. Das Ende der Geschichte, die der Erzähler über Agnes schreibt, symbolisiert das Ende der Romanfigur Agnes. Sie ist gegangen, nachdem sie das letzte Kapitel ihrer Story gelesen hat. In diesem Ende wird ein Suizid beschrieben in Form eines Kältetodes: „Dann kniete sie nieder, legte sich hin und drückte ihr Gesicht in den pulvrigen Schnee. Langsam gewann sie das Gefühl zurück, erst in den Füßen, (…) es breitete sich aus (…) zu ihrem Herzen (…), als liege sie glühend im Schnee, als müsse der Schnee unter ihr schmelzen“, (S. 152). Der Selbstmord scheint wahrscheinlich, doch das ist nur eine Möglichkeit. Es könnte sich auch um eine symbolische Darstellung einer neu gewonnenen Stärke (Gefühl, Glühen) handeln, oder darum, dass Agnes den Erzähler schlichtweg verlassen hat. Erzähltechnik Inhalt • Direkte und indirekte Rede • Erzählperspektive • Erzählhaltung • Zeitstruktur • Tempus • Rückblenden, Vorausdeutungen und Chronologie Direkte und indirekte Rede In „Agnes“ werden die Äußerungen der Figuren teilweise in indirekter Rede vom Erzähler wiedergegeben: „Ich fragte sie, ob sie Feuer brauche”, (S. 15), und teilweise mit direkter Rede: „,Ja, bitte‘, sagte sie“, (S. 15). Mehrmals folgen diese unterschiedlichen Redewiedergaben auch direkt aufeinander: „Er habe, erzählte Agnes, in einem Café in der Lobby eines großen Hotels etwas getrunken. An einem Nachmittag. ,Ich bin ein paarmal mit ihm dort gewesen‘, sagte Agnes […]“, (S. 18). Erzählperspektive Die Romanhandlung wird durchgängig von einem Ich-erzähler erzählt, der selbst eine Hauptfigur ist. Der Leser erfährt, was der Erzähler denkt und wie er sich fühlt, doch von den anderen Figuren übermittelt der Icherzähler nur seine persönliche Auffassung davon, wie es ihnen gehen mag. Der Erzähler ist unzuverlässig, weil nur seine sehr subjektive Perspektive der Geschichte vermittelt wird. Dementsprechend folgt der Leser auch immer nur dem Erzähler. Die Handlung ist das, was er erlebt. Über Dinge, die Agnes ohne den Erzähler durchlebt hat, erfährt man nur etwas, weil sie es dem Erzähler gegenüber äußert. Erzählhaltung Der Erzähler spricht den Leser nicht direkt an, sondern es wirkt, als rede oder denke er nur für sich selbst. Er beschreibt die Handlung in einer Weise, die einer ausführlichen Erinnerung ähnelt. Zwar werden sowohl Agnes als auch Louise mit direkter Rede zitiert, und daher handelt es sich teilweise um eine genaue Nacherzählung der Geschehnisse, doch diese Nacherzählungen könnten auch der Fantasie des Erzählers entsprungen sein. Seine Gedanken sind das Einzige, worauf man sich verlassen kann, weil er diese selbst äußert. Dass er die Handlung nur aus seiner persönlichen Sicht darstellt, wird auch deutlich, weil er die Geschichte, die er mit Agnes erlebt, anders aufschreibt, als Agnes das getan hätte. Er erinnert sich an andere Dinge als sie, und manchmal sind die beiden sich schlichtweg uneinig darüber, was genau passiert ist. Man kann also davon ausgehen, dass die Handlung des Romans ebenso verfälscht ist durch seinen subjektiven Filter. Besonders deutlich wird dies, weil der Erzähler zunächst beschreibt, wie er mit Agnes in einem chinesischen Restaurant gegessen habe (S. 22). Als er dies in seiner Geschichte schreibt, ist Agnes anderer Auffassung, denn sie meint, das Restaurant sei indisch gewesen (S. 56). Später erinnert sich der Erzähler auch an „das indische Restaurant“ (S. 97), wo sie ihr erstes Date hatten. Zeitstruktur Die Handlung von „Agnes“ erstreckt sich über neun Monate. Das Buch hat allerdings nur 153 Seiten, und es ist möglich, es an einem Tag zu lesen. Die Erzählzeit ist also wesentlich kürzer als die erzählte Zeit. Im Allgemeinen ist der Roman zeitraffend erzählt. An einigen Stellen findet man Zeitsprünge, die sich über mehr als nur eine Nacht erstrecken. Als der Erzähler beispielsweise nach New York fährt, bleibt er dort fünf Tage (S. 34). Was in diesen Tagen geschieht, erfährt der Leser aber nicht, denn sie werden übersprungen, und die Handlung schließt bei seiner Rückkehr nach Chicago wieder an (S. 38). Auch die Dialoge sind nicht immer zeitdeckend ausformuliert. Manchmal werden Teile zusammengefasst, z. B. „Wir sprachen nur stichwortartig über uns selbst, diskutierten stattdessen über Kunst und Politik, über die Präsidentschaftswahlen im Herbst und über die Verantwortung der Wissenschaft“, (S. 20 f.). Tempus Das erste und das letzte Kapitel sind in Präsens und Perfekt formuliert, denn hier befindet man sich in der Gegenwart, und der Erzähler berichtet kurz, dass Agnes nicht mehr da sei. Die übrigen Kapitel stehen in der Grundform im Präteritum, denn es handelt sich um vergangene Geschehnisse, die nacherzählt werden. Die Dialoge variieren natürlich in der Zeitform, je nachdem, ob die Figuren über etwas Vergangenes sprechen („Ich war nicht froh, daß (sic) Jennifer gestorben war, aber ich war auch nicht traurig“, (S. 33)) oder über etwas Aktuelles („Ich esse überhaupt nicht gern“, sagte Agnes, (S. 23)). Rückblenden, Vorausdeutungen und Chronologie Der Roman beginnt im ersten Kapitel in der Gegenwart (S. 9-12) und springt im zweiten Kapitel an den Anfang der Handlung, neun Monate zurück (S. 13 f.). Die Handlung verläuft dann chronologisch bis zum letzten Kapitel, in dem man wieder in der Gegenwart ankommt, in der gleichen Situation wie in Kapitel 1 (S. 153). Ab und zu denkt der Erzähler an seine Vergangenheit zurück (S. 92), oder Agnes spricht über ihre Kindheit (S. 32), doch dies sind keine eigentlichen Rückblenden. Intertextualität Inhalt • Musik, Kunst, Theater • Literatur Musik, Kunst, Theater In diesem Roman findet man viele Hinweise auf andere literarische Werke und Werke aus verschiedenen Kunstrichtungen. Solche Hinweise auf Musikstücke, Theaterstücke, Filme usw. werden Intermedialität genannt. Im Bereich Musik werden die Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Schubert erwähnt, deren Werke Agnes in ihrem Streichquartett einübt. Sie erzählt in der Zeit nach ihrer Fehlgeburt, dass zurzeit Mozart gespielt werde und nicht mehr Schubert, um sie nicht zu belasten – dabei gefalle ihr Mozart gar nicht (S. 121). Hier wird durch die Erwähnung dieser beiden stilistisch sehr unterschiedlichen Komponisten Agnes‘ Stimmung gezeigt. Mozart hat überwiegend leichte, heitere Musik komponiert, welche dazu benutzt werden soll, Agnes aufzumuntern. Doch sie fühlt sich mit Schuberts Musik wohler, welche hochromantisch und daher häufig melancholisch ist. An anderer Stelle wird ein berühmtes Gemälde in die Handlung einbezogen, und zwar „Un Dimanche d’été à l’Ile de la Grande Jatte“ von Seurat (S. 68 f.). Es gehört der Kunstströmung des Pointilismus an, worauf im Roman auch angespielt wird. Agnes und der Erzähler finden in diesem Gemälde ihre Zufriedenheit und ihr gemeinsames Glück widergespiegelt. Agnes stellt fest: „Glück malt man mit Punkten, […] Und daß (sic) es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.“ Hier wird also eine Richtung der Malerei mit einem bestimmten Gefühl gleichgesetzt. Ein weiterer Hinweis auf ein anderes Medium wird gegeben, als der Erzähler zum ersten Mal Agnes‘ Wohnung sieht und ihm das Theaterplakat von „Mörder, Hoffnung der Frauen“ von Oskar Kokoschka auffällt, das er abstoßend findet (S. 39). Daneben hängt ein eher beruhigendes Bild, nämlich eine Gebirgslandschaft von Ludwig Kirchner. Hier werden Agnes‘ kulturelle Interessen angedeutet. Es wird auch mit dem Kontrast gespielt, dem abscheulichen und dem beruhigenden – eventuell werden damit Agnes‘ verschiedene seelische Zustände symbolisiert. In der Natur fühlt sie sich wohl (S. 75 f.), während sie das Leben in der Stadt nicht leiden kann und depressive Züge zeigt (S. 12). Literatur Nicht nur auf Kunst aus anderen Bereichen nimmt der Roman Bezug, sondern ebenso auf literarische Werke von anderen Schriftstellern. Der Erzähler denkt einmal an „ein Gedicht von Robert Frost“ (S. 24), zitiert es aber nicht. Ein weiteres Gedicht „A refusal to Mourn the Death, by Fire, of a Child in London“ von Dylan Thomas wird vollständig zitiert (S. 130). Es handelt vom Tod und bringt Agnes, die die Fehlgeburt nicht überwinden kann, zum Weinen. Im Zusammenhang mit der Affäre mit Louise fällt der Buchtitel „A Farewell to Arms“ von Hemingway, ein Buch, das der Erzähler ihr schenkt, weil der Film ihr gefallen hatte (S. 102). Neben den eindeutig genannten und zitierten literarischen Hinweisen weist die gesamte Geschichte auch einige Parallelen zu Max Frischs „Homo Faber“ auf. Die Grundhandlung, in der eine junge Frau eine Beziehung mit einem wesentlich älteren Mann eingeht, die mit dem Tod der jungen Frau endet, ähnelt sich. Auch die Erzählweise und einige Details in der Handlung ähneln „Homo Faber“. Es handelt sich hierbei um nicht markierte Intertextualität. Schließlich stellt auch die Geschichte über Agnes, die der Erzähler schreibt, eine Form von Intertextualität dar. Es handelt sich um eine Geschichte in der Geschichte. Sie wird durch kursiven Druck markiert und bekommt im Laufe des Romans einen eigenen Verlauf. Erst schreibt der Erzähler nur auf, was in seiner Erinnerung passiert ist. Doch irgendwann überholt die Geschichte die Realität, und er meint: „Ich habe die Gegenwart überholt […] ich weiß schon, was passieren wird“, (S. 63). Doch das, was er schreibt, passt nicht lange zur Gegenwart: Diese Illusion ist spätestens, als Agnes in Wirklichkeit schwanger wird, vorbei. Verweise auf Texte, Bilder und Musik Autor Werk Seite Robert Frost Stopping in the Woods on a Snowy Evening S. 24 Oskar Kokoschka Mörder, Hoffnung der Frauen S. 39 Ludwig Kirchner Gebirgslandschaft S. 39 William Shakespeare Sonett 18 S. 48 Georges Seurat Un Dimanche d‘été à l‘Ile de la Grande Jatte S. 68 Agatha Christie Murder on the Orient Express S. 97 Ernest Hemingway A Farewell to Arms S. 102 Hermann Hesse Siddhartha S. 119 Mozart, Schubert S. 121 Dylan Thomas A Refusal to Mourn the Death, by Fire, of a Child, in London S. 130 Max Frisch Homo Faber Unmarkierte Intertextualität Interpretation „Agnes“ ist ein stimmungsvoller Roman, der heutzutage sehr viel Relevanz hat, durch die moderne Liebesgeschichte, die Selbstfindungsprozesse der Charaktere und die zeitlosen philosophischen Fragen über Leben und Tod sowie die Sinnfindung. Der tragische Verlauf zeigt dem Leser, wie wichtig es ist, eine Balance zwischen Selbstbewusstsein und Hingabe zu halten, wenn man Glück in der Liebe finden will, und welche Macht Worte auch in der heutigen Zeit noch haben können. Diese Geschichte von Peter Stamm lässt viele Deutungen zu. In der Interpretation wird im Detail auf die wichtigsten Motive eingegangen, die im Roman immer wiederkehren, und ihre symbolischen Bedeutungen werden einfach erklärt. Auch die wichtigsten Themen, welche in „Agnes“ vorkommen, werden samt ihrer Interpretationsmöglichkeiten vorgestellt: Was sagt uns der Roman zum Thema Liebe und Schwangerschaft, Leben und Tod, zum Singledasein, zum Verhältnis zwischen Rolle und Identität und zum Sinn des Lebens? Und wie ist die Vermischung von Realität und Fiktion zu verstehen? Alle Aussagen sind mit vielen Textstellen belegt, bei denen auch genaue Seitenangaben nicht fehlen. So fällt die Arbeit mit diesem spannenden Roman um einiges leichter – und Deine eigenen Ideen für die Deutung werden ordentlich angeregt. Hauptmotive Inhalt • Kälte • Krankheit und Tod • Bilder • Blicke • Licht und Dunkel Kälte In diesem Roman wird sehr oft das Klima beschrieben, und häufig ist es kühl oder kalt. Dies ergibt zunächst einmal Sinn, weil der Handlungsort die windige Stadt Chicago ist: „Es war kalt, als wir uns kennenlernten. Kalt wie fast immer in dieser Stadt. Aber jetzt ist es kälter, und es schneit“, (S. 9). Doch das natürliche Klima ist nicht der einzige Grund, warum die Kälte so häufig in diesem Roman auftaucht. Sie wird auch benutzt, um eine gewisse Zerbrechlichkeit der Titelheldin darzustellen und um emotionale Distanz zu symbolisieren. Agnes friert schnell. Über den Campingausflug berichtet der Erzähler: „Obwohl wir dicht beim Feuer saßen, fror Agnes“, (S. 73). Auch in seiner Geschichte über sie stellt der Erzähler Agnes als eine eher dünnhäutige Person dar: „Agnes fror, obwohl sie ihren dicken Wintermantel trug“, (S. 151). Agnes wirkt unter anderem deshalb sehr klein und zerbrechlich, so, als müsse man sie wärmen und vor der Kälte schützen. Sie selbst allerdings sieht in der Kälte eher einen Segen: „Es heißt, zu erfrieren sei ein schöner Tod“, (S. 78). Hier zeigt sich, wie Agnes manchmal eine gewisse Anziehungskraft im Tod findet. Agnes „erfriert“ – zumindest symbolisch betrachtet – wirklich. Die Beziehung zwischen ihr und dem Erzähler geht durch verschiedene Phasen, und die Wetterverhältnisse passen metaphorisch zu diesen unterschiedlichen Abschnitten. „Es war lange regnerisch gewesen, als Anfang September ein kühler, aber trockener Wind von Norden her über den See wehte und die Wolken vertrieb“, (S. 57). Hier ist es ein kühler Wind, der die Klimaveränderung mit sich bringt, während auch die Beziehung in eine neue Phase tritt: Nachdem Agnes dem Erzähler bei einem Ausflug äußerlich fremd vorkommt, er sie also in einem „anderen Licht“ sieht und neue Seiten an ihr erkennt (S. 57-59), gesteht er ihr zum ersten Mal seine Liebe (S. 59). In der nächsten Zeit fühlt er so stark ihr gegenüber, dass er es als eine Art Sucht beschreibt (S. 61). Die Kälte hat auch symbolische Bedeutung, wenn Agnes und ihr Freund, der Erzähler, nicht unter ihr leiden – nämlich in Phasen von Nähe und Verliebtheit. Bei dem idyllischen Campingausflug in der Wildnis beschreibt der Erzähler die Situation an einem schönen Morgen wie folgt: „Es war kalt im Zelt, und unser Atem dampfte, aber wir froren nicht“, (S. 75). Die körperliche Nähe zwischen den beiden gleicht hier die klimatischen Umstände aus. Auch der Anfang des Oktobers, des letzten Monats, in welchem die Beziehung noch gut verläuft, ist nicht kalt, entgegen den Erwartungen der Protagonisten: „Einige Tage lang hatte es geregnet, und wir glaubten schon, der Winter sei nun endgültig gekommen, als es noch einmal warm wurde. Es roch nach Sommer, und die Stadt lag in goldenem Licht“, (S. 79). In dieser Phase plant der Erzähler zunächst noch gedanklich die Zukunft mit Agnes und macht ihr in seiner Geschichte über sie einen Heiratsantrag. Als dann Agnes zu Halloween ihre Schwangerschaft offenbart, reagiert der Erzähler sehr ablehnend auf den Gedanken an ein Kind. Die Beziehung geht in die Brüche. Passend dazu ist es Ende Oktober kalt draußen (S. 84), und wenig später wird es noch schlimmer: „Der November war kalt und regnerisch“, (S. 96). Hier sind der Erzähler und Agnes getrennt, es herrscht auch eine emotionale Kälte. Er spürt ihr noch eine Weile nach, doch dann beginnt er eine Affäre mit Louise (S. 96-99), zu der er aber nie solch starke Gefühle entwickelt wie die, die er für Agnes hat. Der Abschluss der Geschichte, die der Erzähler für Agnes schreibt, ist dann geradezu überladen mit dem Kältemotiv: „Agnes fror, obwohl sie ihren dicken Wintermantel trug, aber selbst das Frieren schien weit weg zu sein, es war, als stelle sie die Kälte nur fest, ohne sie zu fühlen. […] Der Wind blies böig. […] Die Bäume hatten ihre Blätter verloren, und der See war zugefroren. […] Agnes […] zog ihre Handschuhe aus und fuhr mit den Händen über die eiskalten Stämme der Bäume. Sie fühlte nicht die Kälte, aber sie spürte die schorfige Rinde an ihren fast tauben Fingerkuppen“, (S. 151 f.). Die Geschichte endet damit, dass Agnes sich in den Schnee legt und dort verglüht – der Kältetod, von dem sie einst sagte, er sei ein schöner Tod, wird hier realisiert. Agnes liest die Geschichte und verschwindet. Der Erzähler meint, sie sei tot, seine Deutung ist also, dass sie tatsächlich Selbstmord begangen hat. Das ist eine mögliche Interpretation: Die emotionale Kälte, die Trauer um ihr Kind, das sie durch die Fehlgeburt verloren hat, und die zerbrechende Beziehung könnten sie so mitgenommen haben, dass sie schließlich ihr Leben beendet. Doch es ist auch möglich, das Verglühen im Schnee symbolisch so zu deuten, dass Agnes zu neuer Kraft findet, die Kälte, die sie auffrisst, überwindet und einen Neuanfang macht – weswegen sie den Erzähler für immer verlässt. Krankheit und Tod Agnes wird gegen Ende des Romanes krank. Sie erkältet sich kurz nach Weihnachten stark (S. 130) und muss über Silvester Bettruhe halten (S. 142). In dieser letzten Phase der Beziehung pflegt der Erzähler sie zunächst noch (S. 131 ff.), doch er hält es nicht lange aus und geht dann am Silvesterabend auf die Party seiner Geliebten (S. 141). Diese Krankheit spiegelt Agnes‘ immer schlimmer werdenden Zustand wider, in welchem sie es nicht schafft, die Fehlgeburt zu verkraften. Schließlich endet ihre Geschichte, möglicherweise mit ihrem Tod – denn, wie der Leser bereits am Anfang erfährt, ist Agnes am Ende „tot“ (S. 9). Doch nicht nur die Krankheit deutet darauf hin, dass dieses Ende der Protagonistin bevorsteht. Durch den gesamten Roman zieht sich das Todesmotiv. Es wird von Personen erzählt, die gestorben sind, wie Agnes‘ Nachbarstochter, die als Kind einen Unfall gehabt hat: „Ich war nicht froh, daß (sic) Jennifer gestorben war, aber ich war auch nicht traurig “, (S. 33). Als der Erzähler und Agnes ihr erstes Date haben, findet der Erzähler eine Tote vor dem Restaurant, in welches sie gehen wollen. Das wirkt wie ein böses Zeichen, denn es handelt sich um eine junge Frau in Agnes‘ Alter: „Als ich am vereinbarten Abend zum Restaurant kam, lag davor auf dem Gehsteig eine Frau. […] Von der nächsten Straßenecke aus rief ich den Notfalldienst an. […] ,Tot‘, sagte der Fahrer, ,die hat’s geschafft‘“, (S. 22 f.). Infolge dieses Erlebnisses beginnen Agnes und der Erzähler damit, öfter über das Thema Tod zu sprechen, z. B. beim Essen, wo Agnes erklärt: „Ich fürchte mich nicht vor dem Sterben. Ich habe Angst vor dem Tod – einfach, weil dann alles zu Ende ist“, (S. 24). Auch am nächsten Tag, nachdem sie zum ersten Mal die Nacht gemeinsam verbracht haben, reden sie darüber: „Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?“ „Nein“, sagte ich, „alles wäre irgendwie … sinnlos. Wenn es danach weiterginge“, (S. 26 f.). Bei ihrem Ausflug in die Wildnis finden sie einige Ruinen vor, und wieder zeigt sich Agnes‘ Faszination für das Thema, als sie philosophiert: „Die Toten wissen nicht, daß (sic) das Dorf verlassen wurde“, (S. 77). Zu einem späteren Zeitpunkt in diesen Kurzferien kommt das Thema nochmals auf, und hier äußert Agnes den bereits erwähnten Satz: „Es heißt, zu erfrieren sei ein schöner Tod“, (S. 78). Auch den Erzähler scheint die häufige Thematisierung des Todes zu packen, denn ein Tagtraum, den er aufschreibt, endet folgendermaßen: „Ich preßte (sic) mein Ohr gegen das kalte Metall und hörte Agnes ganz nahe flüstern: ,Du bist tot‘“, (S. 81). Weiterhin taucht das Todesmotiv in Form der Fehlgeburt auf: „Ein Kind ist in mir gestorben […]. Ich konnte ihm nicht helfen. Es ist in mir gewachsen, und es ist in mir gestorben. Weißt du, was das bedeutet?“, (S. 131). Sie verrät nicht, was es für sie bedeutet, doch sie schafft es jedenfalls nicht, diesen Verlust zu verkraften. Mit dem Gedicht „A Refusal to Mourn the Death, by Fire, of a Child in London“ (S. 130), in welches sie sich vertieft, wird auch ein dieses Thema betreffendes intertextuelles Element im Roman erkennbar. Schließlich kann man den Schluss von Agnes‘ Geschichte, die der Erzähler schreibt, als Todesmetapher auffassen: „Es war, als würde sie eine andere Welt betreten“, (S.151). Die Protagonistin des Romanes lässt sich anscheinend durch die Geschichte zum Selbstmord inspirieren. Doch dies ist unsicher. Möglicherweise ist nur die Existenz der Romanfigur Agnes beendet, wenn der Roman zu Ende ist, denn: „Ich bin immer traurig, wenn ich ein Buch zu Ende gelesen habe“, sagte Agnes. „Es ist, als sei ich zu einer Person des Buches geworden. Und mit der Geschichte endet auch das Leben der Person“, (S. 120). Bilder In dem Roman „Agnes“ spielen Bilder eine wichtige Rolle. Sie treten unter anderem als intermediale Hinweise auf, so z. B. in Agnes‘ Wohnung: „An den Wänden des Zimmers hingen Drucke, eine Gebirgslandschaft von Ludwig Kirchner und ein abstoßendes Theaterplakat“, (S. 39). Mit dieser Bilderauswahl, die beruhigende Gebirgslandschaft und das Theaterplakat von „Mörder, Hoffnung der Frauen“, kann Agnes charakterisiert werden: Sie ist kulturell interessiert und hat einen breit gefächerten Geschmack. Agnes ist neugierig darauf, was der Erzähler wirklich von ihr hält, und wünscht sich, dass er eine Geschichte über sie schreibt. Sie will dies, weil sie meint, es wäre eine Art Porträt von ihr. „Du hast die Fotos von mir gesehen. Es gibt kein einziges gutes Bild von mir. Auf dem man mich sieht, wie ich bin“, (S. 48). Das Bild, auf welches sie anspielt, ist ein Foto in ihrer Wohnung. „Auf dem Sims eines alten, zugemauerten Kamins standen Familienfotos und ein Bild von Agnes selbst im Talar, das wohl während der Abschlußfeier (sic) an ihrer Universität aufgenommen worden war. Sie blickte direkt in die Kamera, aber obwohl sie lächelte, wirkte ihr Gesicht abweisend und verschlossen (sic). […] ,Das hat mein Vater gemacht. Da war ich betrunken‘“, (S. 39). Mit diesem Foto verbindet Agnes schmerzhafte Erinnerungen an ihren Vater, der mit ihr immer unzufrieden war, und an Herbert, in den sie in der Zeit, aus der das Foto stammt, verliebt war, wofür ihr Vater sie beschimpfte (S. 40). Sie will nun, dass ihre Geschichte neu geschrieben wird, ein neues, richtiges Porträt gemalt wird: „Es muss schon stimmen“, (S. 53). Das Problem ist, dass der Erzähler, wie er selbst zugibt, sich oft nur ein sehr subjektiv gefärbtes Bild von Personen machen kann, die ihm nahestehen. Agnes fragt ihn: „Und die Geschichten, die du geschrieben hast, hatten nichts mehr mit den Personen zu tun, von denen du ausgegangen warst?“ „Doch“, sagte ich, „mit dem Bild, das ich mir von ihnen gemacht hatte. Vielleicht zu sehr“, (S. 50). Als der Erzähler eine Schreibblockade bekommt, weil es ihm schwerfällt, eine Geschichte aus seinem zufriedenen Leben mit Agnes zu schöpfen, gehen die beiden ins Kunstinstitut, um sich inspirieren zu lassen. Sie finden das Gemälde „Un Dimanche d’été à l’lle de la Grande Jatte“ (S. 68). Hier meinen sie, ihre Zufriedenheit werde am besten widergespiegelt: „Seurat hatte keine glücklichen Menschen gemalt, aber das Bild strahlte eine Ruhe aus, die dem, was wir suchten, am nächsten kam“, (ebd.). Einerseits kommt dem Bild eine farbsymbolische Bedeutung zu: „Es gab kein reines Weiß und Schwarz“, (S. 69). Das Bild, welches die Beziehung symbolisieren soll, zeigt also keine Extreme – der Erzähler beschreibt die Beziehung dementsprechend auch als ruhig und gleichmäßig (S. 67). Auf der anderen Seite zeigt sich, als die beiden das Bild betrachten, auch, dass ihre Vorstellungen vom jeweils anderen überhaupt nicht mit der Selbstauffassung des Partners zusammenpassen: „Das bist du“, sagte ich und zeigte auf ein junges Mädchen, das im Mittelgrund des Bildes auf der Wiese saß […]. „Nein“, sagte Agnes, „ich bin das Mädchen im weißen Kleid. Und du bist der Affe.“ „Ich bin der Mann mit der Trompete“, sagte ich, „aber niemand hört mir zu“, (S. 69). Blicke Blicke sind ein wichtiges Element der Zwischenmenschlichkeit in dem Roman „Agnes“. Die erste Kontaktaufnahme der Titelheldin und des Erzählers geschieht durch Blicke: „Als ich von meiner Arbeit aufschaute, traf ich ihren Blick“, (S. 13). / „Immer wieder schaute ich zu ihr herüber […] Sie reagierte nicht, sah nie auf, dennoch war ich mir sicher, daß (sic) sie meine Blicke bemerkte“, (ebd.). Auch in den nächsten Tagen, in denen die beiden sich in der Bibliothek sehen, geschieht die Kontaktaufnahme mit den Augen. Agnes fordert den Erzähler sozusagen durch Blicke auf, mit ihr rauchen zu gehen: „Als Agnes gegen Mittag erschien, nickte sie mir wieder zu. […] Nach vielleicht einer Stunde zog sie ihre Zigaretten aus dem Rucksack, blickte kurz darauf und dann zu mir herüber“, (S. 17). Diese stille Form der Annäherung steht im Gegensatz zu der Art, wie der Erzähler Louise kennenlernt. Sie spricht den Erzähler immer direkt an, was zu ihrem sehr direkten Charakter passt (S. 84, S. 97). Agnes dagegen wirkt im Allgemeinen eher still. Die Blicke werden auch in anderen Fällen benutzt, um die Protagonistin zu charakterisieren: „Manchmal erwiderte sie meine erstaunten Blicke lächelnd, aber ohne Eitelkeit“, (S. 62). / „Wir gingen zurück in den Lesesaal. Das kurze Gespräch hatte meine Spannung gelöst, und ich konnte wieder arbeiten, ohne dauernd zu ihr hinüberzuschauen. Tat ich es dennoch, erwiderte sie meinen Blick freundlich, aber ohne zu lächeln“, (S. 16). Agnes ist also freundlich, ruhig und bescheiden. Doch sie strahlt auch etwas ganz Besonderes aus, das dem Erzähler Rätsel aufgibt: „Nur ihr Blick war außergewöhnlich, als könne sie mit ihren Augen Worte übermitteln“, (S. 14). Der Erzähler erwähnt immer wieder Agnes‘ Blicke und beschreibt, dass er Schwierigkeiten damit habe, sie zu deuten. Dies zeigt, wie wenig der Erzähler die Titelheldin eigentlich kennt und wie geheimnisvoll sie für ihn ist. „Wieder erstaunten mich trotz des Lächelns der Ernst in ihrem Gesicht und ihr Blick, dessen Sprache ich nicht verstand“, (S. 53). / „Agnes schaute quer durch den Raum, als habe sie jemanden entdeckt, den sie kannte, aber als ich mich umdrehte und in dieselbe Richtung schaute, waren da nur leere Tische“, (S. 24). / „Ich fragte sie, ob sie Feuer brauche. Sie wandte sich mir zu, als sei sie überrascht, aber in ihren Augen sah ich keine Überraschung, sah ich etwas, was ich nicht verstand“, (S. 15). Agnes‘ Blicke stehen dafür, wie schwer es dem Erzähler fällt, sie zu durchschauen, und sie sind Merkmal ihrer ruhigen Persönlichkeit. Licht und Dunkel Im Großen und Ganzen ist die Sprache in „Agnes“ eher nüchtern, und der Erzähler verwendet nicht besonders viele Adjektive in seinen Beschreibungen. Was aber sehr häufig beschrieben wird, sind die Lichtverhältnisse. Den Motiven des Lichtes und der Dunkelheit kommen dabei auch symbolische Bedeutungen zu: „Ich habe das Licht gelöscht und schaue hinaus auf die beleuchteten Spitzen der Wolkenkratzer, auf die amerikanische Flagge, die der Wind irgendwo im Licht eines Scheinwerfers hin und her schlägt“, (S. 9). Dieser Satz stammt aus dem ersten Kapitel von „Agnes“. Hier wissen wir bereits, dass Agnes tot ist. Der Erzähler ist allein und sitzt im Dunkeln, und er befindet sich in einer Großstadt, die ihre Routine der Zivilisation weiterführt: „[…] die leeren Plätze, wo selbst jetzt, mitten in der Nacht, die Ampeln von Grün zu Rot und von Rot zu Grün wechseln, als sei nichts geschehen, als geschehe nichts“, (ebd.). Die Kälte und Leere spiegeln den Gemütszustand des Erzählers wider, dessen Geliebte Agnes von ihm gegangen ist. Die in den weiteren Kapiteln dargestellten Lichtverhältnisse passen häufig zu den in den nächsten Kapiteln beschriebenen Phasen der Beziehung zwischen Agnes und dem Erzähler: „Wir hatten das Licht nicht gelöscht, und es brannte noch immer, als wir irgendwann später in der Nacht einschliefen. Ich erwachte, als es draußen schon langsam hell wurde. Das Licht war jetzt gelöscht […]“, (S. 26). Diese Situation ist zu lesen, nachdem Agnes und der Erzähler zum ersten Mal miteinander geschlafen haben. Hier ist es also durchgängig hell, sogar nachts brennt das Licht und wird vom Tageslicht abgelöst. Die positiven Gefühle, ausgelöst durch die Nähe und Intimität zwischen den beiden, werden in der durchgängigen Helligkeit widergespiegelt. Einmal muss der Erzähler sich für fünf Tage von Agnes verabschieden, weil er nach New York reist. Er fährt im Zug und schaut nach draußen: „Draußen wurde es langsam dunkel. Die Landschaft, durch die wir fuhren, hatte etwas Ungefähres, Ungenaues“, (S. 34). Je weiter er sich geografisch von ihr entfernt, desto dunkler wird es, und der Erzähler sieht die Landschaft nicht klar. Eine mulmige Stimmung entsteht, wenn die beiden nicht zusammen sind. Als der Erzähler Agnes besucht und sie ihm eine selbst geschriebene Geschichte zeigt, reagiert der Erzähler darauf sehr unsensibel, weil er neidisch auf ihr Talent ist (S. 42 f.) Der Abend gestaltet sich noch weitestgehend harmonisch, denn Agnes tritt einen Schritt zurück und löscht ihre Geschichte. Trotzdem liegt eine Spannung in der Luft. Es wird deutlich, dass es bestimmte Vorgänge gibt, die eine Gereiztheit zwischen den beiden auslösen können. Auch als Agnes von ihrer Arbeit als Physikerin erzählt, wird dies symbolisch ausgedrückt: Sie spricht von Asymmetrien und davon, dass diese immer eine Ursache hätten und Auswirkungen, so, wie die Asymmetrie zwischen Mann und Frau. Diese Szene schließt anders als die erste Situation, in der die beiden Sex haben: „Wir liebten uns, und dann war es draußen dunkel geworden“, (S. 45). Agnes kommt bald darauf auf die Idee, dass der Erzähler eine Geschichte über sie schreiben sollte. Diese Geschichte bringt letztendlich Unheil über sie. Dies wird durch ein unheimliches Bild, in welchem wieder die Lichtverhältnisse eine Rolle spielen, angedeutet: „Als wir aufstanden und zurückgingen, hatte es schon zu dämmern begonnen. Die Wolkenkratzer der Innenstadt verschmolzen im Gegenlicht miteinander und wirkten wie ein einziges riesiges Gebäude, wie eine dunkle Burg“, (S. 48). Die Beziehung erfährt einen Aufschwung, als Agnes und der Erzähler einen Ausflug in die Wildnis machen, wo sie campen. Zunächst allerdings hat Agnes einen Schwächeanfall, der vermutlich durch ihre noch unentdeckte Schwangerschaft hervorgerufen wird. Kurz vorher, am ersten Abend beim Camping, deutet sich an, dass bald etwas passieren wird, was der Beziehung schaden könnte: „Obwohl wir dicht beim Feuer saßen, fror Agnes. Sie hole ihren Schlafsack, sagte sie und ging zum Zelt. Sie wurde unsichtbar, sobald sie aus dem Lichtkreis des Feuers trat“, (S. 73). Sie wird unsichtbar – das könnte symbolisieren, dass sie aus dem Leben des Erzählers verschwindet. Dann passiert der Schwächeanfall, dessen Ursache der Grund dafür ist, dass die beiden sich bald trennen werden. Doch von der Schwangerschaft wissen sie noch nichts, und der Schwächeanfall ist am nächsten Morgen wieder vergessen. Agnes fühlt sich sehr wohl in der Natur, und die beiden erleben ein paar schöne, romantische Tage, was auch wieder von entsprechenden Lichtverhältnissen begleitet wird: „Dann traf die Sonne das Zelt, und es wurde ganz hell darin und schnell wärmer“, (S. 75). Die letzte positive Phase in ihrer Beziehung ist Anfang Oktober. „Es roch nach Sommer, und die Stadt lag in goldenem Licht“, (S. 79). Der Erzähler fühlt sich sogar dazu inspiriert, seiner Figur „Agnes“ in der Geschichte, die er über sie schreibt, einen Heiratsantrag zu machen. Ende Oktober findet Agnes heraus, dass sie schwanger ist. Ihr Auftreten wird folgendermaßen eingeleitet: „Als es schon dämmerte, kam sie in mein Arbeitszimmer“, (S. 88). Die Dämmerung zeigt den Übergang von einer positiven in eine negative Phase an. Als sie ihm dann von ihrer Schwangerschaft erzählt, reagiert der Erzähler so abweisend auf die Idee eines gemeinsamen Kindes, dass das Paar sich trennt. Ein Grund dafür ist auch, dass der Erzähler Agnes allein in der Wohnung zurücklässt, nachdem er die Neuigkeit erfahren hat. Er geht in ein Café. „[…] als ich eintrat, kam die Kellnerin aus dem Hinterzimmer. Sie machte Licht an und fragte mich, was ich wünsche. Sie brachte mir einen Kaffee und verschwand wieder durch die Tür der Theke. Draußen wurde es dunkler. Die Landschaft hinter den großen Scheiben wurde langsam sichtbar, und bald sah ich nur noch mein eigenes Spiegelbild im Glas“, (S. 92). Hier sitzt der Erzähler also in künstlichem Licht, doch es ist dunkel draußen, sodass er nur sich selbst sehen kann. Symbolisch wird dargestellt, dass er nun wieder allein ist, und als er nach Hause kommt, ist Agnes auch bereits gegangen (S. 93). Die beiden kommen später wieder zusammen, doch Agnes hatte eine Fehlgeburt und leidet so sehr darunter, dass das Glück, das die beiden einst hatten, sich nicht wieder richtig einstellen will. An einem Abend, während Agnes krank ist, geht der Erzähler nochmals in das Café und anschließend wieder zurück. Da kommt ihm die Inspiration für das tragische Ende der Agnes in seiner Geschichte: „Ich verließ das Café. Draußen war es dunkel geworden, und während ich am See entlangging, ordneten sich meine Gedanken, und plötzlich wußte (sic) ich, wie die Geschichte von Agnes weitergehen mußte (sic)“, (S. 132). Am Ende der Geschichte, die der Erzähler schreibt, hat die Dunkelheit völlig überhandgenommen: „Agnes hatte das Ende der Straße erreicht. Vor ihr lag der Park in vollkommener Dunkelheit. Blind machte sie einige Schritte ins Dunkle hinein, dann konnte sie wieder sehen. Es war, als würde sie eine andere Welt betreten. Der Himmel, der, vom Licht der Straßenlampen verschmutzt, wie eine orangefarbene Decke über den Wohnvierteln gelegen hatte, war hier durchsichtig schwarz“, (S. 151). Die Geschichte motiviert Agnes schließlich dazu, aufzugeben. Sie verlässt die Wohnung des Erzählers. Es ist eine Möglichkeit, zu vermuten, dass sie Selbstmord begeht, wie ihr literarisches Alter Ego. Die Dunkelheit würde dann Agnes‘ psychischen Zustand symbolisieren, die Depression, welche bei ihr durch die Fehlgeburt ausgelöst wurde und sie in den Tod treibt. Es ist auch möglich, dass Agnes den Erzähler nur für immer verlässt – damit wäre die Geschichte der beiden aber trotzdem „gestorben“, und all das Licht, das die beiden zu Beginn zwischen sich hatten, wäre ausgelöscht. Themen Inhalt • Fiktion und Wirklichkeit • Agnes‘ Sinnsuche • Rolle und Identität • Liebe und Schwangerschaft • Nähe und Fremdheit • Leben und Tod • Singles zwischen Freiheit, Verantwortung und Sinnlosigkeit Fiktion und Wirklichkeit „Ein Mann, der so schöne Briefe schreibt, kann kein schlechter Mensch sein“, (S. 37). Diesen Satz sagt eine Mitreisende zum Erzähler auf der Zugfahrt nach New York. Sie glaubt daran, dass der Mann, mit dem sie Briefkontakt hat und zu dem sie auf dem Weg ist, um ihn in persona zu treffen, in Wirklichkeit so ist, wie er in seinen Briefen scheint. Hier kann man die Idee des Romans in aller Deutlichkeit erkennen: Fiktion und Wirklichkeit überschneiden sich. Das passiert auch in der Beziehung zwischen Agnes und dem Erzähler. Der Erzähler beginnt an einem Punkt in seiner Beziehung mit Agnes, eine Geschichte über seine Freundin zu schreiben. Weil er Autor von Beruf ist, kommt Agnes auf diese Idee (S. 48). Er lässt sich auf das Experiment ein. Dass er eine andere Vorstellung davon hat, wie Agnes ist, zeigt sich bereits, als er anfängt, die ersten Entwürfe zu schreiben, mit denen Agnes uneinig ist: „,Du wirst aus meinem Kopf neugeboren wie Athene aus dem Kopf von Zeus, weise, schön und unnahbar.‘ ,Ich will nicht unnahbar sein‘, sagte Agnes und küsste mich auf den Mund‘“, (S. 55). Agnes möchte nicht reserviert, kühl, distanziert oder unzugänglich sein, sondern wünscht sich wahrscheinlich vielmehr Nähe, Intimität, Vertraulichkeit und Herzlichkeit. Der Erzähler schreibt also auf, was er mit Agnes erlebt hat. Aus seiner Perspektive allerdings, und wieder zeigt sich, dass seine Wirklichkeitsauffassung und die von Agnes ganz unterschiedlich sind. „Manches, was ich ausführlich beschrieb, fand sie als belanglos. Anderes, was ihr wichtig war, kam in der Geschichte gar nicht vor […]“, (S. 56). Irgendwann überholt die Fiktion die Wirklichkeit, und der Erzähler kann seine Geschichte frei schreiben. Scherzhaft behauptet er: „Ich weiß schon, was geschehen wird“, (S. 63). Der Erzähler nimmt von nun an durch seine Geschichte Einfluss auf die Realität. Er schreibt auf, was Agnes anzieht, und sie folgt der Vorgabe: „Wirklich trug Agnes das kurze blaue Kleid, als sie am nächsten Tag zu mir kam. Es war kühl, und es regnete, aber sie sagte: ,Befehl ist Befehl‘, und lachte nur, als ich mich entschuldigte“, (S. 64). Es entsteht eine Art Rollenspiel zwischen den beiden, in denen er das Geschehen lenkt. Auch der Entschluss, zusammenzuziehen, stammt aus der Geschichte, in welcher der Erzähler Agnes fragt, ob sie bei ihm einziehen wolle, und sie in Wirklichkeit antwortet: „,Ja. Ist es gut so? Bist du zufrieden?‘ Sie lachte wieder und sagte: ,Zeig, wie es weitergeht.‘“, (S. 66). Die Realität macht dem Erzähler einen Strich durch die Rechnung, als Agnes schwanger wird. Er kann das zunächst nicht akzeptieren: „Agnes wird nicht schwanger“, (S. 89). Für den Schriftsteller, dessen Traumfrau keine Kinder bekommt, weil er keine will, ist die echte Agnes nun nichts mehr wert. Er beginnt eine Affäre mit Louise (S. 98). Allerdings schreibt er auch an seiner Geschichte weiter und lässt das Kind ein Teil der Geschichte werden. Als er zu Agnes zurückkehrt, weil er hört, dass es ihr schlecht gehe, hatte sie eine Fehlgeburt (S. 111). Die beiden kommen wieder zusammen. Der Erzähler versucht, Agnes zu helfen, die nun das Kind in der Geschichte als eine Art Ersatz ansieht. Sie geht sogar für das fiktive Kind einen Teddy kaufen – hier haben wir die wahrscheinlich deutlichste Überschneidung von Realität und Fiktion im ganzen Roman (S. 117), die unheimlich bedrückend wirkt. Doch diese Illusion kann Agnes nur sehr kurz trösten. Sie wird sich schnell bewusst, dass sie sich selbst etwas vorlügt, und kommt wieder auf den Boden der Realität zurück (S. 118). Sie versucht dann auch aktiv, ihrer imaginärer Welt zu entfliehen, und wirft die gekauften Spielsachen in den Müllschlucker (S. 119). Sie zieht wieder das blaue Kleid an und versucht dadurch, die fiktive Geschichte zurückzuspulen. Doch ihre Psyche verkraftet die Belastung der Fehlgeburt nicht. Der Erzähler entwirft verschiedene Versionen für ein Ende der Story. Er hat durch seine Geschichte die Kontrolle über Agnes gewonnen: „Ich mußte (sic) endlich ein Ende finden für Agnes, einen guten Schluß (sic)“,(S. 133). Er bemüht sich um ein Happy End, doch weder er noch Agnes sind damit zufrieden (S. 136 f.). Eine andere Version, die dem Erzähler einfällt und die er wie im Rausch schreibt, enthält jedoch kein gutes Ende für „Agnes“ – sie stirbt den freiwilligen Kältetod. Er traut sich nicht, das Ende seiner geschwächten Freundin zu zeigen, doch sie findet es auf dem Computer und setzt die Handlung – höchstwahrscheinlich – in die Realität um: Sie begeht Selbstmord. Nun erklärt sich, was man am Anfang des Romans erfährt: „Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet“, (S. 9). Es wird also dargestellt, welche Macht Worte und Fiktion auf Menschen ausüben können. Agnes wird zum Opfer der Fiktion und damit des Erzählers. Denn sie schreibt ihm eindeutig die Rolle desjenigen zu, der die Fantasiewelt erschafft, während sie die Realität dokumentiert: „Du schreibst, und ich filme“, (S. 70). Den Erzähler trifft eine Mitschuld daran, was sie tut, weil Agnes ihn im Prinzip davor gewarnt hat, welch starke Auswirkung die Fiktion auf sie haben kann. Sie erzählt davon, wie sie, wenn sie ein Buch lese, sich so sehr mit den Figuren darin identifiziere, dass sie sich selbst als eine der Figuren ansehe: „Ich frage mich manchmal, ob die Schriftsteller wissen, was sie tun, was sie mit uns anstellen“, (S. 120). Agnes‘ Sinnsuche Agnes ist eine sehr nachdenkliche Person. Sie ist von Beruf Physikerin, und es ist ihre Aufgabe, die Anordnung der Atome in Kristallgittern zu erforschen (S. 44) – sie untersucht also Elemente im kleinstmöglichen Detail. Hier, im tiefsten Innern, sagt sie, finde man in fast allem Symmetrie. Und: „Asymmetrien haben immer einen Grund und eine Wirkung“, (S. 45). Dieser Gedanke ist für Agnes beruhigend, die sich ansonsten schwer damit tut, einen Sinn im Leben zu finden. Agnes ist nicht religiös (S. 27) und glaubt auch nicht an eine Form des Weiterlebens nach dem Tod: „Ich fürchte mich nicht vor dem Sterben. Ich habe Angst vor dem Tod – einfach, weil dann alles zu Ende ist“, (S. 24). Die Überzeugung davon, dass einem nach dem Tode nichts bleibt, lässt Agnes am Sinn des Lebens zweifeln. Um dem völligen Verschwinden nach dem Ableben vorzubeugen, will Agnes im Leben Spuren hinterlassen. Sie freut sich darauf, dass ihre Doktorarbeit bald veröffentlicht wird, sodass ihr Name für immer auf einem Werk, das in der Bibliothek zu finden ist, zu lesen sein wird (S. 31). Ebenso hat die Idee, dass ihr Freund eine Geschichte über sie schreiben soll, mit dem Wunsch zu tun, sich zu verewigen: „Es wäre wie ein Porträt“, (S. 48). Auch das Kind, mit dem Agnes schwanger war, wäre etwas gewesen, das nach Agnes‘ Tod in der Welt geblieben wäre. Doch diese Möglichkeit wird ihr, zumindest in dieser Schwangerschaft, mit der Fehlgeburt genommen. Dass Agnes die Fehlgeburt nicht verkraftet, kann auch daran liegen, welche Bedeutung sie ihr zuschreibt. „Ein Kind ist in mir gestorben. […] Weißt du, was das heißt?“, (S. 131), fragt sie ihren Freund, dem es nie gelingt, ihre Gedanken bezüglich Tod und Verlust völlig nachzuvollziehen. Als Agnes zusammen mit dem Erzähler ins Kunstinstitut geht, betrachten sie beide ein Bild von Seurat: „Un Dimanche d‘été à l‘Ile de la Grande Jatte“, das zum Stil des Pointilismus gehört (Das Bild besteht aus vielen einzelnen farbigen Punkten). Agnes schließt daraus, dass man Glück mit Punkten gestalte, und erst, wenn man das große Ganze aus der Ferne betrachte, das Glück erkennbar werde. Die beiden Protagonisten tun sich schwer damit, das eigene Leben mit diesem Abstand zu betrachten, und dadurch nicht nur Glück, sondern einen Sinn in ihrem Leben zu erkennen und zu finden. Rolle und Identität Die Identität bezeichnet die einzigartige Kombination von persönlichen, unverwechselbaren Daten, Eigenschaften und Charakterzügen, durch welche das Individuum gekennzeichnet ist und von anderen Personen unterschieden werden kann. Die Identität des einzelnen Menschen ist seine besondere Persönlichkeitsstruktur, die mit dem Bild, das die anderen von einem haben, verbunden ist. Hiermit kann man unterscheiden zwischen Identität und sozialer Funktion und Rolle, wobei sicherlich bei allen Menschen zeitweise eine gewisse Differenz zwischen Rolle und wahrer Identität entsteht. Unsere Rolle ist das, was wir nach außen hin zeigen. Für die Figuren Agnes und Louise klafft eine solche Lücke zwischen ihrem wirklichen Ich und ihrer Rolle, dass es für beide zum Problem wird. Louise spielt die Rolle einer emotional abgebrühten Geliebten, die kein Interesse an einer festen Partnerschaft hat. Erst gegen Ende der Handlung gibt sie ihrem Geliebtem, dem Icherzähler, ihre wahre Identität zu erkennen: Sie wünscht sich im Grunde eine feste Beziehung zu ihm. Doch er will ihr diesen Wunsch nicht erfüllen, denn sein Herz gehört Agnes. Louise macht einen verbitterten Abgang (S. 146 f.). Die wahre Identität von Agnes lernt der Leser nie richtig kennen, denn der Erzähler beschreibt sie nur aus seiner Perspektive. Er erwähnt z. B. einmal, dass sie auf der Beerdigung der toten Frau gewesen sei, die er bei ihrem ersten Date gefunden hat (S. 56 f.). Doch, welche Emotionen Agnes damit verbunden hat oder ihre Beweggründe, erfahren wir nicht. In der Geschichte, die der Erzähler über Agnes schreibt, erschafft er seine eigene Traumfrau: „Jetzt war Agnes mein Geschöpf“, (S. 61). Agnes passt sich den Vorgaben aus der Geschichte an, indem sie z. B. anzieht, was der Erzähler vorgibt. Es ist, als übernehme die erdachte Agnes die echte, als werde das Alter Ego zur wirklichen Agnes. Agnes hat allen Grund dazu, sich von der Geschichte verunsichern zu lassen: „[…] unser gleichmäßiges Leben eignete sich nicht dazu, beschrieben zu werden. „,Es muss etwas passieren, damit die Geschichte interessanter wird‘, sagte ich endlich zu Agnes. ,Bist du nicht glücklich, so wie wir es haben?‘ ,Doch‘, sagte ich, ,aber Glück macht keine guten Geschichten‘“, (S. 68). Agnes muss erkennen, dass das einfache Glück, welches sie dem Erzähler geben kann, ihm nicht auf allen Ebenen ausreicht. Besonders nachdem ihre Schwangerschaft in einer Fehlgeburt geendet ist, scheint es, als sei von der echten Agnes nicht mehr viel übrig. Das Kind wäre etwas gewesen, das Agnes selbst gewollt hat – unabhängig davon, was der Erzähler davon hielt. Hier blitzt Agnes‘ Identität einmal auf. Doch nach der Fehlgeburt kann Agnes nicht mehr zu sich zurückfinden. Sie gibt sich völlig auf und passt sich den Bedürfnissen ihres Freundes an. Sie sagt ihm, dass es sie überhaupt nicht störe, wenn er Silvester mit seiner Affäre verbringe, während sie krank im Bett liegen müsse (S. 141). Doch noch in derselben Nacht geht Agnes und nimmt sich vermutlich das Leben. Dies ist die ultimative und konsequente Durchführung der Rolle, die er ihr zuschreibt, und die Aufgabe der Identität – oder, je nach Interpretation, ein Neuanfang. Liebe und Schwangerschaft Die Geschichte zwischen Agnes und dem Erzähler berührt viele Themen, und sie ist auch eine Liebesgeschichte. Sowohl Agnes als auch der Erzähler gestehen dem anderen an unterschiedlichen Stellen in der Handlung ihre Liebe. Für den Erzähler ist es schwierig, seine Gefühle für Agnes zu verbalisieren. Sie sind für ihn so übermächtig, dass er es als unbefriedigend empfindet, nur Worte zu haben, um sie auszudrücken: „Später sagte ich ihr, daß (sic) ich sie liebe, aber es genügte nicht, und weil ich nicht wußte (sic), wie sonst ich das Gefühl beschreiben sollte, schwieg ich wieder, und wir sprachen den ganzen Abend kaum“, (S. 59 f.). Das überwältigende Gefühl beschreibt der Erzähler als eine Sucht nach der anderen Person, was für ihn eine ganz neue Erfahrung ist: „Ich fühlte eine fast körperliche Abhängigkeit, hatte das demütigende Gefühl, nur ein halber Mensch zu sein, wenn sie nicht da war. […] Seit unserer Wanderung im Park dachte ich dauernd an sie und kam nur noch wirklich zur Ruhe, wenn sie bei mir war und ich sie anschauen, berühren konnte“, (S. 61). Die Verliebtheit des Erzählers ist also auch eine Art Besessenheit von Agnes, in der er nicht mehr ohne sie sein kann. Er fühlt sich unvollständig ohne sie – das bedeutet, dass die Liebe zu ihr sein Leben eigentlich nicht nur bereichert, sondern ihn im Prinzip der Selbstständigkeit beraubt. Solche starke Gefühle würde vermutlich eine von wilder Leidenschaft geprägte Beziehung mitführen. Doch wenn der Erzähler das Zusammenleben mit Agnes beschreibt, gleicht es eher einer Beziehung, die schon seit Längerem unbesorgt und stabil ist: „Unser Leben war ruhig, die Tage glichen einander, und wir waren zufrieden. Wir hatten uns schnell aneinander gewöhnt“, (S. 67). Von Agnes‘ Gefühlen dem Erzähler gegenüber erfährt der Leser häufig nur aus der Perspektive des Erzählers. Der Erzähler ist schnell eifersüchtig und verunsichert, ob Agnes ihn wirklich liebt. Doch ihr Verhalten zeigt eigentlich, dass sie es sehr ernst meint mit ihm. Sie drückt ihre Liebe dem Erzähler gegenüber in klaren Worten aus (S. 129), sie ist sauer und enttäuscht, als der Erzähler nicht mit ihr gemeinsam Halloween feiern will (S. 83). Sie zieht nach kurzer Zeit beim Erzähler ein, obwohl sie eine eigene Wohnung hat (66). Und als sie schwanger wird, will sie das Kind gern bekommen und hofft darauf, dass der Erzähler sich auch über die Neuigkeit freut (S. 89). Der Erzähler ist alles andere als begeistert, als er von der Schwangerschaft erfährt, und zeigt das seiner Freundin in aller Deutlichkeit: „Nicht gerade, was ich mir vorgestellt habe. […] Ich will kein Kind. Ich kann kein Kind gebrauchen. […] Man kann das ändern“, (S. 89 f.). Der letzte Satz bezieht sich auf die Möglichkeit einer Abtreibung, doch das kommt für Agnes überhaupt nicht infrage. Für sie ist die Schwangerschaft ein glücklicher Zufall. Deswegen verzweifelt sie so sehr, als der Erzähler sich dagegen stellt, und beschließt, ihn zu verlassen. Die Schwangerschaft ist Agnes also wichtiger als die Beziehung zum Erzähler, und dem Erzähler ist die Kinderlosigkeit wichtiger als die Beziehung. Doch der Erzähler kommt nicht umhin, sich nach einiger Zeit der Trennung auf das Gedankenexperiment eines Kindes einzulassen. „Ich dachte an das Kind, mit dem Agnes schwanger war. Ich fragte mich, ob es mir gleichen, ob es meinen Charakter haben würde. […] Selbst wenn ich Agnes nie wiedersähe, würde ich Vater sein. […] Und dann dachte ich, ich ertrage es nicht, dem Kind nie zu begegnen. Ich will wissen, wer es ist, wie es aussieht“, (S. 107). Seine Gedanken formen einen neuen Handlungsstrang für seine Geschichte, und er baut das Kind in seine Story ein. „Ich merkte, wie wenig ich über Babys wußte (sic), und beschloß (sic), mir ein Buch zu kaufen. Ich war jetzt sicher, daß (sic) Agnes und ich wieder zusammenkommen würden“, (S. 108 f.). Er spürt nun, dass er eigentlich gern mit Agnes zusammen dieses Kind haben möchte. Die Schwangerschaft verändert insofern die Einstellung des Erzählers gegenüber Kindern und Liebesbeziehungen. Er will einen Schritt auf sie zugehen, doch noch weiß er nicht, dass es bereits zu spät dafür ist, weil Agnes eine Fehlgeburt hatte. Nähe und Fremdheit Agnes und der Icherzähler erleben in ihrer Liebesbeziehung Phasen, in denen sie sich sehr nahe sind, und solche, in denen sie sich voneinander distanzieren. Ganz einfach ist die Nähe zu erkennen, als sie anfänglich zusammen sind. Sie unterhalten sich über persönliche Dinge, schlafen miteinander, und Agnes zieht bei dem Erzähler ein. Dann trennen sich ihre Wege für eine Weile, weil sie sich uneinig über die Familienplanung sind, als Agnes schwanger wird. Als sie dann wieder zusammenkommen, finden sie nicht mehr zurück zu der alten Nähe, die sie einst verband: „Langsam schien Agnes sich zu erholen. Aber es war, als habe sie sich von mir entfernt, oder als suche oder finde sie die Nähe zu mir nicht mehr“, (S. 121). Dabei kann es sich um einen Abwehrmechanismus von Agnes handeln, die erlebt hat, wie der Erzähler sie im Stich gelassen hat, als sie schwanger war, anstatt für sie und das ungeborene Kind da zu sein. Ihre Furcht vor einer Wiederholung dieser Geschichte wäre auch berechtigt, denn am Ende schafft der Erzähler es nicht einmal, bei ihr zu bleiben, als sie krank im Bett liegt – stattdessen verbringt er die Silvesternacht mit Louise. Es ist jedoch auch möglich, dass der Erzähler sich dazu hinreißen lässt, seine kranke Freundin am 31. Dezember allein zu lassen, weil er nicht begreift, welche Nähe und Liebe Agnes zu ihm empfindet. Um die Weihnachtszeit baden die beiden zusammen und schlafen miteinander, und folgender Dialog entwickelt sich: „Das war ein Geschenk“, sagte sie, als wir später nebeneinander im Bett lagen. – „Wie meinst du das?“– „Es ist Weihnachten.“ – „Ich will nicht, dass du mit mir schläfst, wenn du nicht magst.“ – „Aber es war ein Geschenk.“ – „Vielen Dank“, sagte ich und wandte mich ab. – […] – „[…] und warum bist du zu mir zurückgekommen?“ – „Wenn du das nicht weißt …“, sagte Agnes. „Weil ich dich liebe, nur dich. Auch wenn du es nicht glauben willst“, (S. 128 f.). Agnes formuliert also ganz deutlich aus, was sie fühlt. Doch daran, wie der Erzähler auf ihren Kommentar zum „Geschenk“ reagiert, kann man erkennen, dass die beiden ein Problem damit haben, dem anderen das zu vermitteln, was sie eigentlich füreinander empfinden. Schon in der ersten Phase der Verliebtheit gibt es Momente mit Abstand und Diskrepanz. Agnes formuliert diesen Gedanken einmal sogar konkret aus, als sie den Erzähler fragt: „Was weißt du eigentlich von mir?“, (S. 127). Der Verdacht, dass ihr Freund sie nicht kennt, oder, dass sie nicht weiß, was er von ihr denkt, ist auch ein Teil der Motivation für Agnes, seine Geschichte zu lesen, die er über sie schreibt: „[…] damit ich weiß, was du von mir hältst“, (S. 50). Einmal betrachtet der Erzähler Agnes‘ Gesicht im Lichtspiel von Sonne und Schatten, und plötzlich kann er sie nicht mehr erkennen. Gleichzeitig fühlt er sich, als er sähe sie zum ersten Mal richtig. „Das ganze Gesicht schien mir fremd, unheimlich, und doch war es mir, als sähe ich es wirklicher als jemals zuvor, unmittelbar. Obwohl ich Agnes nicht berührte, hatte ich das beängstigende und zugleich berauschend schöne Gefühl, sie wie eine zweite Haut einzuhüllen, ihren ganzen Körper auf einmal dicht an mir zu spüren“, (S. 59). Dieses Phänomen der extremen Nähe, als sei der andere ein Teil von einem selbst, obwohl er einen nicht berührt, beschreibt auch Agnes in ihrer Geschichte: „Ein Mann starrt mich an. […] Er schläft mit mir, ohne mich zu berühren“, (S. 42). Für den Erzähler kreiert diese Nähe das Gefühl einer körperlichen Abhängigkeit nach Agnes: Er hat „das demütigende Gefühl, nur ein halber Mensch zu sein, wenn sie nicht da war.“ Für ihn ist das eine völlig neue Erfahrung in einer Liebesbeziehung (S. 61) und vielleicht ein Teil dessen, was er meint, wenn er zu Louise sagt, dass es etwas Wichtiges zwischen Agnes und ihm gäbe (S. 146). Leben und Tod Der Roman „Agnes“ behandelt sehr oft das Thema „Leben und Tod“, da die Titelheldin sich sehr intensiv mit der Todesthematik beschäftigt. Durch die Protagonisten werden auch verschiedene Ansichten zur Problematik des Ablebens dargestellt. Für den Erzähler stellt der Tod keine große Bedrohung dar: „Ich habe mir immer vorgestellt, daß (sic) man sich irgendwann müde hinlegt und im Tod zur Ruhe kommt“, (ebd.), erklärt er, als die beiden sich darüber unterhalten. Agnes kann damit nichts anfangen: „Offenbar hast du nicht sehr lang darüber nachgedacht“, (ebd.). Der Erzähler sieht die Endgültigkeit des Todes als einen Segen an. „Alles wäre irgendwie … sinnlos. Wenn es danach weiterginge“, (S. 27), antwortet er auf die Frage, ob er an ein Leben nach dem Tod glaube. Für ihn ist der Tod also etwas, das den Sinn des Lebens manifestiert. Genau wie ihr Freund ist Agnes nicht religiös. Doch für sie ist der Gedanke der Endgültigkeit des Todes schwer zu ertragen (S. 24). Für Agnes raubt diese Endgültigkeit dem Leben den Sinn, weswegen sie so dringend versucht, Spuren zu hinterlassen. Sie hat große Angst vor dem Verschwinden. Nur ausnahmsweise nimmt sie sich frei von dieser Angst, als sie mit dem Erzähler einen Kurzurlaub macht und in der Natur Camping macht: „… heute nicht“, (S. 76), sagt sie, heute habe sie keine Angst. Agnes schafft es in der Wildnis kurzzeitig, ihren dunklen Gedanken zu entfliehen. Auf diesem Ausflug finden die beiden Ruinen von Häusern. Agnes sagt: „Vielleicht leben noch Menschen in diesem Gebiet, von denen niemand etwas weiß“, (S. 77). In der Natur gibt es für Agnes eine andere Perspektive: Sie denkt hier mehr über das Leben nach als über den Tod. „[…] man könnte so leben“, sagt sie, „nackt und unter freiem Himmel“, (S. 76). In der Großstadt hingegen denkt Agnes oft über den Tod nach, und das Thema scheint sie zu verfolgen, wie bereits im Abschnitt „Motive – Krankheit und Tod“ dargestellt wurde. Das Ende des Romans wirft eine interpretatorische Frage auf: Ist Agnes wirklich tot? In seiner Geschichte schickt der Erzähler „Agnes“ in die Natur, wo sie den Kältetod findet. Doch genau dieses Bild passt eigentlich nicht zu Agnes, die ja gerade entfernt von der Zivilisation eher lebensbejahend wirkt. Dass sie sich entschlossen hat, den Erzähler und die Stadt zu verlassen und irgendwo in der Wildnis ein neues Leben zu beginnen, ist auch eine von vielen Deutungsmöglichkeiten. Singles zwischen Freiheit, Verantwortung und Sinnlosigkeit Die drei wichtigsten Figuren in „Agnes“ haben alle, zumindest zeitweise, Singlestatus. Das heißt, dass sie keinen festen Partner haben oder dass sie ihre Verhältnisse nicht als feste Beziehungen definieren. Die Beziehung zwischen Louise und dem Erzähler beginnt wie eine Affäre. Die beiden sind in keiner Weise aneinander gebunden. Louise sagt zum Erzähler: „Du liebst mich nicht, und ich liebe dich nicht. Es ist nichts dabei […]. Hauptsache, wir amüsieren uns“, (S. 106). Sie betont sehr oft, dass sie mehrere Geliebte habe, sodass der Erzähler nicht daran zweifeln kann, dass er nur einer von vielen ist. Als der Erzähler auf ihrer Silvesterparty ist, fragt er sie zum Beispiel, ob nicht sie nicht noch andere Freunde als ihn eingeladen hätte. „[…] mehr als einen Mann auf einmal mag ich nicht einladen. Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren“, (S. 144), antwortet sie. Louise zeichnet ein Bild von sich selbst als eine unabhängige und freie Person. Doch es stellt sich heraus, dass die Überbetonung ihres freien, wilden Singlelebens nur eine Fassade ist. Noch am gleichen Abend wird Louise sehr verbittert, als sie merkt, dass der Erzähler zu seiner Freundin Agnes zurück will, und sie für ihn tatsächlich nur eine Affäre war. Sie versucht, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen: „… vielleicht würde mehr daraus werden, wenn du offen wärst. Aber du warst von vornherein nicht bereit dazu“, (S. 146 f.). Louise trägt ihren Singlestatus wie eine stolze Rüstung, aber im Innern ist sie enttäuscht über ihre Einsamkeit und das Desinteresse „ihrer Männer“. Der Erzähler lässt diese Verantwortung aber nicht auf sich lasten. Rein rational gesehen kann ihm daraus kein Vorwurf gemacht werden, denn Louise hatte den Rahmen des Verhältnisses klar und deutlich so gestaltet, dass es keine Verpflichtungen mitführte. Der Erzähler macht sich öfter Gedanken zu seiner Lebensgestaltung. Er selbst weiß, dass ihm Freiheit immer wichtiger gewesen ist als Glück. Glück – damit meint er eine feste Partnerschaft. „Vielleicht war es das, was meine Freundinnen Egoismus genannt hatten“, (S. 110). Auf der anderen Seite sehnt der Erzähler sich durchaus nach der festen Bindung und sieht das Singleleben – ein Leben ohne Kinder und ohne Verpflichtungen – als recht sinnlos an: „Von unserer Generation wird nur der Schmutz zurückbleiben“, (S. 77). Es gibt für ihn einen ständigen Konflikt zwischen Freiheit und Bindung. Mit Agnes wünscht er sich die Bindung einerseits. Er fantasiert sogar darüber, ihr einen Heiratsantrag zu machen, und schreibt dies in seine Geschichte (S. 80). Doch gleich darauf weiß er nicht, wie die Geschichte weitergehen soll – als würde die scheinbare Endgültigkeit der Ehe für ihn eine kreative Blockade schaffen. Es folgt ein düsterer Tagtraum, in welchem sich Agnes sehr abwehrend dem Erzähler gegenüber verhält. Der Erzähler zieht seine psychische Schutzmauer wieder hoch, sodass er sich nicht völlig hingeben muss. Kurz darauf zu Halloween versetzt er Agnes und lernt Louise auf der Geschäftsfeier kennen. Die Party, zu der Agnes gehen will, ist ein Zeichen dafür, dass auch sie einmal ein recht freies Singleleben gelebt hat. Sie redet davon, wie wild diese Feste immer gewesen seien (S. 83). Doch Agnes will den Erzähler nun in diesen Teil ihres Lebens integrieren. Sie will nichts von ihrem damaligen Leben für sich behalten. Sie ist der Beziehung gegenüber an diesem Punkt völlig aufgeschlossen. Sie weiß aber vermutlich zu diesem Zeitpunkt auch bereits, dass sie schwanger ist. Für Agnes ist die Schwangerschaft ein Zeichen der festen Bindung. Denn auch sie ist im Prinzip recht ungebunden. Zu Beginn, als der Erzähler sich selbst zum ersten Mal als ihren Freund bezeichnet, meint sie: „Freund […], das klingt seltsam“, (S. 47). Als Agnes das Kind dann verloren hat, kommt sie zwar wieder mit dem Erzähler zusammen, doch drückt sich so aus, als sei die Partnerschaft nicht exklusiv. Der Erzähler solle ruhig mit Louise Silvester feiern: „Wir sind ja nicht verheiratet“, (S. 141). Sie befreit ihn von jeder Verantwortung, obwohl es ihr damit anscheinend nicht gut geht, wenn man bedenkt, dass sie sich kurz darauf wahrscheinlich selbst umbringt. Louise, Agnes und auch der Erzähler sind typische Beispiele für moderne Menschen, die versuchen, sich ihre Unabhängigkeit zu bewahren und ohne festen Partner durchs Leben zu gehen. Sie scheuen das Versprechen, für den anderen da zu sein und fürchten die Selbstaufgabe. Doch die Sehnsucht nach der Liebe und einem festen Partner, auf den man sich verlassen kann, scheint bei ihnen allen durch. Sogar der Erzähler erwacht kurz vor dem Ende aus seiner Ahnungslosigkeit, unwissend, dass es nun zu spät ist: „Es war etwas zwischen uns, etwas Wichtiges. Und es ist nicht verloren“, (S. 146). Vergleich Agnes / Homo Faber Inhalt • Parallelen in der Handlung • Die weiblichen Hauptpersonen • Die männlichen Hauptpersonen • Ähnlichkeiten im Detail • Todesmotiv Die Romane „Agnes“ von Peter Stamm und „Homo Faber“ von Max Frisch weisen einige Gemeinsamkeiten auf, zum Beispiel in der Grundhandlung oder in der Charakterisierung der Hauptpersonen. Aber es gibt auch viele kleine Details, die Peter Stamms Roman wie eine Hommage an den berühmten Vorgänger erscheinen lassen. Ein sehr häufig erkennbares Detail ist das Todesmotiv, das sich deutlicherweise durch beide Romane zieht. Parallelen in der Handlung Die Grundkonstruktion der Geschichten „Homo Faber“ und „Agnes“ gleichen einander: Beide sind Liebesgeschichten, die tragisch enden. Im weitesten Sinne dadurch, dass die Icherzähler in die Leben der beiden weiblichen Hauptpersonen treten, sterben beide Frauen am Ende der Handlung. In „Agnes“ hat der Icherzähler jedoch weitaus deutlicher aktiven Einfluss auf den Tod seiner Freundin, wenn auch unabsichtlich: Er schreibt eine Geschichte über sie, in der er ihr literarisches Alter Ego Selbstmord begehen lässt. Die wirkliche Agnes folgt diesem Beispiel und bringt sich um – wenn man der Aussage des Erzählers, dass sie tot sei, glauben will (S. 9). Walter Faber dagegen, der Icherzähler in Max Frischs Roman, tut nichts Spezifisches, um den Tod seiner Geliebten zu fördern – Elisabeth wird von einer Schlange gebissen und erliegt im Krankenhaus einer unentdeckten Kopfverletzung vom Sturz nach dem Biss (Homo Faber, S. 160). Die weiblichen Hauptpersonen Es gibt einige Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten zwischen der Titelheldin Agnes und den Frauen Elisabeth und Hanna Piper, den weiblichen Hauptpersonen aus „Homo Faber“. Elisabeth ist eine junge Frau, Anfang zwanzig, die an der Yale-Universität studiert hat (Homo Faber, S. 82). Sie hat deutsch-schweizerische Eltern, lebt aber in den Vereinigten Staaten. Auch Agnes ist eine akademisch gebildete Frau. Sie hat an der Chicagoer Universität Physik studiert und schreibt an ihrer Doktorarbeit (S. 20). Agnes ist 25 Jahre alt (ebd.), also altersmäßig nicht weit von Elisabeth entfernt. Agnes wirkt ziemlich emanzipiert und selbstständig. Ein Beispiel dafür ist ihre Reaktion darauf, als ihr Freund in seiner Geschichte über sie schreibt, sie sei ihm dankbar, dass er sie gefragt habe, ob sie mit ihm zusammenziehen wolle. Agnes reagiert mit Entrüstung und boxt dem Erzähler in die Rippen (S. 66). Auch Elisabeth Piper wirkt im Großen und Ganzen sehr selbstständig und stark. Man muss bedenken, dass die Geschichte in den 1950er-Jahren spielt – Elisabeth hat studiert und reist mit einem Mann in der Welt herum, an dem sie nur mäßig interessiert ist (Homo Faber, S. 120). Sie trägt das Erbe ihrer Mutter Hanna, der die eigene Emanzipation sehr wichtig war (Homo Faber, S. 183). Zwischen Hanna und Agnes gibt es auch Parallelen: Äußerlich sind sie beide sehr natürlich und wirken nicht kosmetisch gekünstelt (Agnes, S. 14; Homo Faber, S. 79). Als die Frauen Agnes und Hanna schwanger werden und von den Erzeugern Ablehnung erfahren, reagieren sie beide gleich: Sie verlassen die Männer und wollen sich neue, zuverlässige Partner suchen. Hanna begibt sich zu Walter Fabers Freund Joachim, dem Arzt, doch statt ihn die Abtreibung durchführen zu lassen, kommt sie mit ihm zusammen und zieht mit ihm das Kind groß (Homo Faber, S. 57). Auch die schwangere Agnes plant, nachdem sie ihren Freund verlassen hat, nach New York zu gehen und bei ihrer alten Jugendliebe Herbert zu leben, von dem sie weiß, dass er sie liebt (S. 94). Doch durch die Fehlgeburt kommt es nicht dazu. Die männlichen Hauptpersonen Wie bereits erwähnt, sind sowohl Walter Faber als auch Agnes‘ namenloser Freund die Icherzähler ihrer Geschichte. Doch das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen. Walter Faber ist Techniker von Beruf, und Agnes‘ Freund ist Sachbuchautor. Beide Berufe spiegeln bis zu einem gewissen Grad das rationalistische Weltbild wieder, mit welchem die Erzähler sich selbst gern identifizieren wollen. Beide Erzähler kommen aus der Schweiz. Sie leben zeitweise wie Junggesellen und haben Affären mit sehr oberflächlich charakterisierten Frauen, die im Wesentlichen auf sexueller Anziehungskraft basieren: Faber hat seine amerikanische Geliebte Ivy, die für ihn hauptsächlich eine Belastung ist, der namenlose Icherzähler in „Agnes“ geht eine Affäre mit Louise ein, die in Gesprächen mit Vorliebe über andere Frauen lästert. Die ernsteren Liebesbeziehungen beider Protagonisten sind mit wesentlich jüngeren Frauen: In Fabers Fall ist Elisabeth seine Tochter, was er allerdings nicht weiß. Agnes könnte theoretisch beinahe die Tochter des Erzählers sein, ist es aber nicht (S. 26). Beide Männer reagieren mit Ablehnung auf den Gedanken der Vaterschaft und machen ihren schwangeren Freundinnen deutlich, dass sie eine Abtreibung für die beste Lösung halten (Homo Faber, S. 48; Agnes, S. 90). Obwohl beide Protagonisten Schwierigkeiten mit festen Liebesbeziehungen haben, haben sie den Wunsch beziehungsweise den Gedanken, ihre viel jüngeren Freundinnen zu heiraten. Faber macht Elisabeth einen sehr spontanen Heiratsantrag auf einem Schiff (Homo Faber, S. 94), der Erzähler in „Agnes“ dagegen macht ihn nur in seiner Geschichte, die er über Agnes schreibt (S. 80). Ähnlichkeiten im Detail • Faber ist Schweizer und lebt in den USA, genau wie der Icherzähler aus „Agnes“. • Faber und Elisabeth rauchen viel, Agnes und ihr Freund lernen sich in einer Raucherpause kennen. • Der Icherzähler schreibt in den 1990er-Jahren eine Geschichte auf dem Computer, Walter Faber in den 1950er-Jahren hat seine Schreibmaschine, mit der er seinen „Bericht“ verfasst. • Die Situation, in der der Icherzähler Agnes betrachtet, als sie im Park in der Sonne liegt, die Lichtflecken auf ihr Gesicht fallen und sie ihm ganz fremd vorkommt (S. 58), erinnert an Faber und Elisabeth im Kunstmuseum: Sie betrachten den „Kopf einer schlafenden Erinnye“, deren Gesicht unterschiedlich wirkt, je nachdem, wie das Licht auf den Stein fällt (Homo Faber, S. 111). • Faber und Elisabeth gehen auf ihrer Italienreise gemeinsam ins Kunstmuseum (S.111). Auch Agnes und ihr Freund besuchen gemeinsam das Kunstinstitut (S. 68). • Als Elisabeth bereits gestorben ist, sieht Walter Faber Filmaufnahmen von Elisabeth. Der Icherzähler von „Agnes“ sieht sich, als Agnes schon tot ist, Filmaufnahmen von einem gemeinsamen Ausflug an (S. 10 f.). Auch die Sprache ähnelt sich hier durch die Verwendung aneinandergereihter, unvollständiger Sätze: „Die Scheibenwischer. Manchmal ein Auto vor uns. Mein Hinterkopf, meine Hände am Steuer“, (Agnes, S. 153). „Ihr Gesicht, das nie wieder da sein wird – (…) Ihre Bewegungen – Sabeth, wie sie Tauben füttert. Ihr Lachen, aber stumm”, (Homo Faber, S. 188). • Agnes‘ Schwächeanfall beim Camping, bei dem sie bewusstlos wird und der Erzähler sich große Sorgen macht, weil die nächste Stadt weit entfernt liegt (S. 73), erinnert sehr an Elisabeth, die nach dem Schlangenbiss ohnmächtig wird. Auch Faber kämpft hier mit großer Angst, weil sie weit weg vom nächsten Krankenhaus sind (Homo Faber, S. 127 ff.). • Genau wie Walter Faber in Havanna beschließt, sein Leben zu ändern und Hanna zu heiraten (Homo Faber, S. 180), beschließt auch der Icherzähler von „Agnes“, sein Leben zu ändern, als er sich gedanklich mit dem ungeborenen Kind befasst, das er so stark abgelehnt hat (S. 107). Todesmotiv Nicht nur enden beide Romane mit dem Tod der weiblichen (und im Falle von Homo Faber wahrscheinlich auch des männlichen) Protagonisten, das Motiv des Todes zieht sich wie ein ständiger Begleiter der Erzähler durch ihre beiden Geschichten. Walter Faber wird mit dem Tode seines Freundes Joachim, der sich erhängt hat (Homo Faber, S. 55), und seines alten Professors (Homo Faber, S. 172) konfrontiert. Er selbst hat ständig Magenschmerzen, was eine Vorahnung seiner eigenen tödlichen Erkrankung zu sein scheint. Eine dunkle Andeutung sind auch, wenn auch nur im symbolischen Sinne, die ständig erscheinenden Zopilote, eine schwarze Geierart, die Faber zu begleiten scheinen (Homo Faber, S. 49). In „Agnes“ schleicht sich das Todesmotiv auch immer wieder ein und deutet an, was der Leser schon am Anfang erfährt: Dass Agnes sterben wird. Beim ersten Date findet der Erzähler eine tote junge Frau auf der Straße vor dem Restaurant (S. 22), woraufhin Agnes von ihrer Todesangst erzählt (S. 23). Ihre Angst vor dem Tode schwingt aber manchmal um in eine Faszination, die einer Todessehnsucht gleicht – so glaubt sie, dass der Erfrierungstod eine angenehme Art zu sterben sei (S. 78). Und schließlich hat Agnes eine Fehlgeburt, die sie mit den Worten beschreibt: „Ein Kind ist in mir gestorben“ (S. 131).
About
justpdf
Resources
Stars
Watchers
Forks
Releases
No releases published
Packages 0
No packages published